Lese Pressemappen über Amanda“

■ Das geheime Fernsehtagebuch der Verona F., erste Folge: Wie alles begann und wie es dann ganz schnell bergauf ging

18. August 1996

„Es“ geht los. Atelier 7, Studio Hamburg. Schneide mir in der Maske zwei Zentimeter von meinem Minirock ab. Diese Tucken überall. Wie wird man das, schwul? Mit der Geburt? In der Pubertät? Beim Zähneputzen?

Ich will nicht schwul werden. Die dumme Amanda Lear, meine Vorgängerin, hat sich jetzt als Lesbos oder so geoutet. Geschieht ihr recht.

Übernehme ihre Deko. Produktionsassistent L. behauptet, für was Neues, Schickes sei „kein Geld“ da. Die haben hier weniger Kohle als Dieter in seiner Kaffeemühle. Hihi, erinnere mich gut, dass ich mal ausnahmsweise vor ihm aufgestanden bin und frischen Kaffee zubereiten wollte. Wie eine Tomate mit vier Armen sprang er den ganzen Tag durch sein supergeschmackloses Riesenscheißhaus. „Bist du wahnsinnig, bist du verrückt geworden! Verkohlst meine Kohle für den ganzen Tag! 60.000 geschreddert, du blöde Nuss! Willst du die kaputten Ocken auch noch aufgießen? Der teuerste Kaffee meines Lebens!“

Hat mir dann den Einkauf gestrichen. Egal. Hinterm Spülkasten klemmten paar Tausis. Und die trage ich jetzt an den Füßen.

19. August 1996

Mir ist noch ganz übel. Diese blauen Stühle vor blauem Vorhang. Lese Pressemappen über Amanda. Die war ja schon in den Siebzigerjahren schwul.

25. August 1996

1,4 Millionen hatte die schwule Amanda. Ich erreiche schon jetzt rund 2 Millionen Menschen und habe sie alle lieb. Mir ist es nicht peinlich, dies einmal in aller Offenheit meinem niedlichen Tagebuch zu sagen.

2. September 1996

B. behauptet, „vor ein paar Jahren hätte man jeden für eine Sendung wie peep! gesteinigt“. Gesteinigt klingt gut. Heißt das, dass ich noch mehr Schotter kriege?

9. September 1996

Es schottert gewaltig. Rekord. 2,2 Millionen. Kann eigentlich nur noch bergauf gehen. Eins besorgt mich: 60 Prozent meiner Zuschauer sind weiblich. Gibt es so viele schwule Frauen in Deutschland? (Doro Pesch fragen.)

18. Oktober 1996

Tempo-Geschichte gelesen: „Werden wir alle schwul?“ Gerätselt. Nachgedenkt. Glaube nein.

20. Oktober 1996

O Carlo. O von Tiedemann. O Mann und Stück vonner Waterkant. Du bist so erotisch wie eine Hühnerauktion. Aber ich verrate es niemandem. Nur meinem Tagebuch. Komm, Bärli, komm ...

27. Oktober 1996

Ich bin, schreibt der Blutswalker Franz J. Wagner (oder einer seiner Knechte, soll ja der entfesselte Kapitalismus bei der B.Z. herrschen, geile Vorstellung), das „Superweib Verona Feldbusch“ und die herausstechendste der „knackigen Powerfrauen: für Alice Schwarzer ein Alptraum“. Der Schwarzer schreiben auch immer Studentinnen, die den Kapitalismus und das schwanzfixierte Matriarchat abschaffen wollen – wie mir. Nach meiner Trennung vom Schrumpfi. Mache mir Sorgen. Bin ich am Ende vielleicht wie Alice Schwarzer „ ... ein Symbol weiblicher Emanzipation“, erklärt da gerade der Stern. Igittigitt.

Hatte die Schwarzer nicht was mit dem Jörg? Wollte mir heute jedenfalls der garantiert hundertpro schwule L. stecken. Das ist nicht Veronas Welt.

11. November 1996

Dolly Buster beeindruckt mich. Schreibt flockige, spritzige Texte. Warum kann Verona kein Französisch? Weil Verona in Italien liegt. Weil Französisch ein Zungenbrecher ist. Weil ihr Pariser nicht schmecken.“ Und das sagt eine, die spricht, als hätte sie den P. von Drews zwischen den Zähnen. Richtige Antwort: Weil sie Spanier lieber mag ...“ Spanier, nie! Aber das ist ja der Witz. Saubere Verarsche. Pointenüberdehnung, klärt mich der Boy aus der Witzstube auf. Merk ich mir.

Jürgen Roth