Merkel kopiert SPD-Wunschzettel

CDU-Generalsekretärin stellt für Parteitag ihre eigene Familienpolitik auf den Kopf. Selbst die Homo-Partnerschaft soll „geprüft“ werden. Zoff mit der CSU  ■   Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Bei ihrem Streben nach möglichst weitgehender Verwechselbarkeit mit der SPD ist die CDU heute einen großen Schritt vorangekommen: Für den Parteitag zur Familienpolitik im Dezember legte Generalsekretärin Angela Merkel heute einen Leitantrag vor, der in weiten Teilen den familienpolitischen Vorstellungen der SPD folgt.

Revolutionär für die Partei, die bisher die Ehe für heilig erklärte, ist eine Neudefinition ihres Familienbildes. Ausdrücklich eingeschlossen sind nun auch nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern. Der Unterschied zur SPD beläuft sich damit nur noch auf eine Formulierung: „Familie ist überall dort, wo Kinder sind“, hatte Familienministerin Bergmann definiert. Wie aber die Schwesterpartei CSU, die auf ihrem Parteitag in Nürnberg gerade wieder das Loblied der Ehe gesungen hat, dem folgen soll, bleibt rätselhaft.

Einen zaghafteren Versuch, über ihren Schatten zu springen, macht die CDU, wenn es um gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geht. „Rechtliche Hindernisse“ sollen überprüft werden. Was aber soll bei ernsthafter Prüfung anderes herauskommen, als dass Hindernisse beim Sorgerecht, beim Erbschafts- oder Mietrecht bestehen? Auch das hätte Merkel bei der SPD abschreiben können, getraut hat sie sich nicht.

Will Merkel alle Spuren christlicher Kultur tilgen?

Denn schon jetzt schrillt die Alarmglocke in Gestalt von Norbert Geis, dem rechtspolitischen Sprecher der Union: Die eingetragene Partnerschaft sei ein Angriff auf das Rechtsinstitut Ehe. Damit würde die Regierung „die letzten Spuren unserer christlichen Kultur tilgen“. Auch der sozialpolitische Sprecher der CSU, Johannes Singhammer, stimmte ein: Er sehe „keinen Handlungsbedarf“ bei der Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften. Vorgeprescht ist in dieser Frage die Junge Union, die ausdrücklich den „Schutz homosexueller Lebensgemeinschaften“ fordert. Was in deren Antrag steht? Siehe SPD.

Endgültig verabschieden will sich Merkel auch von der christdemokratischen Propaganda der „Wahlfreiheit“ der Frauen zwischen Beruf und Familie. „Das suggeriert eine Realität, die es so nicht gibt“, musste Merkel erkennen. Nach jahrzehntelanger Ignoranz ist nun auch der CDU aufgefallen, dass die Mehrzahl der Frauen versucht, beides zu vereinbaren. Jetzt startet sie gleich auf der Überholspur durch: Nicht nur eine Kopie von Bergmanns Erziehungsurlaubsmodell hat Merkels Kommission auf ihrem Wunschzettel. Mehr noch, wenn Väter sich zum Erziehungsurlaub bequemen sollten, will die CDU ihnen ein halbes Jahr zusätzlich schenken. Da möchte man Herrn Hundt jaulen sehen, auf dessen Wunsch Bundeskanzler Schröder schon die derzeitigen Versuche der Familienministerin, Erziehungsurlaub und Teilzeitregelungen zu verbessern, ausbremste. Teilzeitarbeit in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern, fordert Merkel nun dennoch unverdrossen, man ist ja Opposition und muss sich weder um Durchsetzbarkeit noch um Finanzierbarkeit kümmern.

Deshalb kann Merkel auch Wohltaten wie ein „Familiengeld“ fordern, das höher als die Sozialhilfe liegen soll. Dass das derzeit nicht bezahlbar ist, gibt Merkel denn auch ehrlicherweise gleich bei der Vorstellung zu.

Einen neuen Vorschlag, wie Walter Riester Familienförderung mit seinem Vorhaben einer privaten Zusatzvorsorge zur Rentenversicherung verbinden könnte, gibt es gratis dazu: in Form eines „Kinderbonus“. Woher die Rentenerhöhung für Eltern kommen soll? Die werden wohl die Kinderlosen bezahlen müssen.

Merkel tritt mit diesem Modernisierungsvorstoß in die Fußstapfen des nordrhein-westfälischen CDU-Chefs Jürgen Rüttgers, der Ähnliches schon im Kommunalwahlkampf gefordert hatte. Doch wenn Parteitag und CSU das Programm kräftig durchgewalkt haben, wird die rote Färbung wohl erheblich verblasst sein.