Racheputsch von Pakistans Armee

Die Absetzung des Armeechefs durch den Premierminister ließ dem unruhigen Militär in Pakistan den Kragen platzen. Premier Sharif hat sich überschätzt    ■ Von Bernard Imhasly

Delhi (taz) – Der Putschversuch der Armee gestern Abend erfolgte nur Stunden nach der Absetzung des Chefs der Streitkräfte, Armee-General Pervez Musharraf, durch Premierminister Nawaz Sharif. Musharraf war abgesetzt worden, während er sich auf dem Rückflug von Sri Lankas Hauptstadt Colombo von den 50-Jahr-Feiern der srilankischen Armee befand. Dies und die Tatsache, dass der General nicht einmal die Möglichkeit erhielt, selber seinen Rücktritt bekannt zu geben, zeigt, dass die Entlassung als Affront gedacht war. Musharrafs Amtszeit dauerte noch bis ins Jahr 2001; er war erst letztes Jahr von Sharif – über die Köpfe von rangälteren Offizieren hinweg – zum Chef der Streitkräfte ernannt worden.

Vor zwei Wochen erst hatte der Premierminister ihm sein Vertrauen ausgesprochen. Es war aber bekannt, dass es zwischen dem Premierminister und Musharraf zu Spannungen gekommen war. Ein Berater Sharifs hatte die Armee für die desaströse pakistanische Militäraktion gegen Indien in Kaschmir verantwortlich gemacht. Die Tatsache, dass Sharif kurz darauf seinen Bruder nach Washington entsandte und dann das US-amerikanische Außenministerium in einer ungewöhnlich scharfen Stellungnahme vor einem Putsch warnte, weist darauf hin, dass die Generäle damit alles andere als glücklich waren.

Falls sich die Militäraktion als von langer Hand geplanter Putsch herausstellt, muss Sharif nun dafür zahlen, dass er seine Macht überschätzt hat. Die Militärs haben erst vor elf Jahren das Heft in Pakistan aus der Hand gegeben. Allerdings wäre es falsch, in Nawaz Sharif jetzt nur das Opfer von militärischer Gewalt zu sehen. Nach seinem überwältigenden Wahlsieg vor zweieinhalb Jahren war er systematisch darangegangen, die zivilen Institutionen des Landes zu schwächen. Zuerst wertete er das Amt des Präsidenten ab, über welches die Streitkräfte bis dahin Einfluss auf die Politik genommen hatten. Dann zwang er die Justiz in die Schranken, als sich diese zur Wehr setzte. Gleichzeitig versuchte er der Presse einen Maulkorb umzuhängen, und er plante eine restriktive Gesetzgebung gegen die zahlreichen privaten Sozialwerke, welche seine Menschenrechtspolitik kritisiert hatten.

Bereits vor einem Jahr, als Sharif den Vorgänger Musharrafs in den Ruhestand schob, hielten viele Pakistaner den Atem an. Die Tatsache, dass die Armee damals nicht aufmuckte, war für viele der Beweis, dass sich nun niemand mehr der „demokratischen Diktatur“ Sharifs entgegensetzen konnte. Offenbar hat auch er selber daran geglaubt und wurde nun das Opfer seiner Machtverblendung.