Türknallen im Angesicht des Eingemachten

■ Beengtheit primärer Lebensfunktionen: Alex van Warmerdams „Little Tony“ im 3001

Drei dunkelgrüne Türen stehen im Zentrum von Little Tony: mittig der Ausgang, links die Toilette, rechts die Küche. Sie liegen so dicht beieinander, als wollten sie nahelegen, die Welt sei eben doch mit ein paar Schritten zu durchschreiten. Eine Melancholie, die in Büchners Lenz den Nebel alle Formen verschlingen läßt, bis man sich wünscht, die Welt „mit ein paar Schritten ausmessen“ zu können, ist auch in Little Tony Anstoß für mannigfaches Suchen und Leiden. Ihre Spielwiese jedoch findet sie nicht im Gebirge, sondern inmitten der Beengtheit primärer Lebensfunktionen.

Keet (Annet Malherbe), die resolute Hausherrin des Einsiedlerhofes in der Wiesenlandschaft am Deich, ist es leid, ihrem Mann Brand (Alex van Warmerdam) die Untertitel der Fernsehfilme vorzulesen. Die zur Alphabetisierung engagierte Lehrerin Lena (Ariane Schluter) soll auch gleich für den bislang ausgebliebenen Nachwuchs sorgen. Eifersucht, Kinderwunsch oder ähnliche Sonderanfertigungen bürgerlichen Verdrusses werden im reduzierten Symbolismus des ländlichen Alltags rigoros in die Enge getrieben. Bald wird der Gartenzwerg geköpft, bald das Wort Presskopf verboten, bald Gift in den Brei gemischt. Little Tony zeigt mit geradezu kaltblütigem Hang zum schwarzen Humor die Zerrüttung des Begehrenswahns im Angesicht des Eingemachten.

So knallt immer eine der drei Türen, während sich dazwischen der Exzeß der Wünsche abspielt, der nicht nach außen geht, sondern sich zurückbewegt bis in die letzten Windungen, die ein Bohnenzüchter und eine Nierenköchin zu bieten haben. Dorthin, wo es weh tut. Die Erlösung von der absurden Türdreieinigkeit bleibt aus, wäre sie doch nur ein haltloser Abwehrversuch des Eingemachten.

Alex van Warmerdam, in Sachen Film spätestens seit De Noorderlingen (1992) ein Begriff, hat in Little Tony nicht nur Regie geführt, er ist selbst Darsteller und kann sich neben seiner Tätigkeit als Drehbuchautor, Komponist und Designer darüber freuen, auch sein eigener Produzent zu sein. Aus der holländischen Theatergruppe De Mexicaanse Hond kennen sich seit den 80er Jahren sämtliche Hauptdarsteller. Annet Malherbe wurde für ihre Rolle in Little Tony für den Europäischen Filmpreis Felix nominiert, und Ariane Schluter war erst kürzlich in De Verstekkeling auf den Leinwänden handverlesener Kinos zu sehen.

Anette Kretzer

ab heute, 3001, 20 Uhr