Den Park vor Augen

■ Beim Zivilgericht für Handelssachen richten Kaufleute über Kaufleute

Beim Strafgericht ist schon der Prozess selbst eine Strafe. In etlichen Sälen blickt man durch Milchglasscheiben in einen Lichtschacht, der Sauerstoffgehalt tendiert gegen null. In der Zivilkammer für Handelssachen hingegen geben die großzügigen Fensterfronten den Blick auf ein Parkpanorama frei. Wird im Gebäude gegenüber über Gefängnis- oder Geldstrafen verhandelt, über Körperverletzung oder Mord, geht es hier allein ums Geld – und die Frage, wer ein „ordentlicher Kaufmann“ ist.

Der heute Beklagte K. scheint das Recht auf diesen Titel verspielt zu haben. Entscheidet die Kammer so, kostet das den ehemaligen Geschäftsführer der Firma „Abba Seafood GmbH“ 11 Millionen Dollar. Mit dem Geld, das er für sein Unternehmen verwalten sollte, werden mittlerweile im Ausland und für die „Abba Seafood“ unerreichbar Hotels und Golfplätze gebaut. Die Firma will Schadensersatz.

Laut Handelsregister, stellt der Vorsitzende Richter Klaus Lindloh fest, „macht das Unternehmen Profit durch Fischkonserven und nicht durch Geldanlage auf den Bahamas“. K. indes war der Meinung, dass sich weniger durch Fisch als durch Anlagegeschäfte verdienen lasse. Also deponierte er 17 Millionen Dollar auf einer Bank auf den Bahamas, ehe er einen Finanzjongleur in Spanien einschaltete. Über den Umweg einer spanischen Bank landete das Geld dann in den Immobiliengeschäften. Seitdem ist es, so Lindloh, „noch da, aber nicht hier“. Er hat zu klären, ob K. gegen die „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ verstoßen hat.

Außer dem Vorsitzenden Richter, der Jurist sein muss, können offenbar nur Kaufleute über Kaufleute richten. Sitzen beim Strafgericht Schöffen in Zivilkleidung mit dabei, die sonst Postboten, StudentInnen oder Köche sind, haben bei der Kammer für Handelssachen Geschäftsmänner Roben angelegt – „Kaufleute von tadellosem Ruf“, wie Gerichtssprecherin Sabine Westphalen erklärt. Urteilen die Schöffen im Strafgericht allein aufgrund dessen, was sie in der Hauptverhandlung erleben, haben die HandelsrichterInnen zusätzlich die Akten studiert. 154 „tadellose Kaufleute“ sind in Hamburg zu HandelsrichterInnen bestellt.

Vor Richter Lindloh beharrt K. darauf, getan zu haben, was ein Geschäftsführer zu tun habe. Lindloh gibt zu bedenken, dass „eine alte Frau lange Krabben pulen muss, bis sie die 11 Millionen Mark wieder reingeholt hat“. Ob stattdessen K. einen Scheck für seine damalige Firma ausstellen muss, wird die Kammer Mitte Dezember in ihrem Urteil verkünden. Elke Spanner