Die Deutsche Bahn stellt alles in Frage

■ Bahnvorstand präsentiert dem Verkehrsministerium die neuen Sanierungspläne samt Drohung mit Investitionsstopp. Kommen der Börsengang der Bahn AG und eine hohe Rendite schon ab dem Jahr 2003?

Berlin (AP/taz) – Der neue Vorstandschef der Deutschen Bahn AG wird sein Amt offiziell erst am 1. Januar 2000 antreten, doch hinter den Kulissen tut sich schon allerhand. Gestern hat der Bahnvorstand dem Verkehrsministerium unter dem ebenfalls neuen Chef Reinhard Klimmt (SPD) in Berlin die neuen Sanierungspläne präsentiert, so war aus Bahnkreisen zu hören.

Und die Pläne haben es in sich. Die Deutsche Bahn AG soll bis 2003 reif für den Börsengang werden. Das bedeutet, dass die Züge in Deutschland bis dahin Gewinn einfahren müssen, sonst findet sich kein privater Geldanleger, der die Aktien kauft. Die Anteile gehören derzeit noch zu hundert Prozent der Bundesrepublik Deutschland. Laut den Bahnvorschlägen an Klimmt soll die Bahn bis 2003 sogar so weit konsolidiert werden, dass eine Rendite von zwölf Prozent oder mehr möglich werde, hieß es. Dazu müssten jährlich Erlöse von mindestens zwei Milliarden Mark erwirtschaftet werden.

Der neue Vorstand unter dem designierten Vorsitzenden Hartmut Mehdorn will die Bahn AG darüber hinaus von Ausgleichszahlungen des Bundes unabhängig machen. Zur Zeit betrügen diese etwa drei Milliarden Mark, hieß es. Ab sofort sollten bei der Bahn nur rentable Maßnahmen umgesetzt werden. Bestehende Investitionspläne würden bereits überarbeitet. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.

Der neue Bahnchef hat den Angaben zufolge zur Bedingung für die Umsetzung der Pläne gemacht, dass der Bund seine zu Beginn der Bahnreform gemachten Zusagen einhält. Dazu gehöre, dass er Investitionen in den Fahrweg selbst trage. Sollten die Zusagen nicht eingehalten werden, droht die Bahn den Angaben zufolge mit Investitionszurückhaltung bis hin zum Baustopp bei Großvorhaben.

Bahnsprecher Stephan Heimbach sagte dazu lediglich, der designierte Bahnchef Hartmut Mehdorn habe diese Pläne nicht persönlich präsentiert. Zur Sache sagte er nichts. Aus Bahnkreisen wurde laut der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) erklärt, dass an dem Gespräch von Seiten des Bahnvorstandes Friedhelm Sack teilgenommen hätte. Sack ist der bisherige Finanzvorstand der Bahn und nimmt kommissarisch die Geschäfte des Vorstandsvorsitzenden wahr, bis Mehdorn offiziell antritt. Von Ministeriumsseite waren die Abteilungsleitung Eisenbahnpolitik und die Staatssekretärin Elke Ferner dabei.

Der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft GdED, Norbert Hansen, nannte als Voraussetzung für das Vorhaben, dass sich die Ungleichbehandlung der Verkehrsträger ändern müsse. Die Rendite sei durch weitere Kostensenkung nicht erreichbar, „es sei denn, man würde erhebliche Risiken in der Zuverlässigkeit des Bahntransports in Kauf nehmen“.

Die für die Mehrerlöse notwendigen Umsatzsteigerungen sind nach Ansicht Hansens „nur erreichbar, wenn Wettbewerbsnachteile der Bahn im Verkehrsmarkt umgehend beseitigt werden“. Als Beispiele nannte die Gewerkschaft Ungleichheiten bei der Mineralölbesteuerung von Flugzeug, Binnenschiff und Bahn sowie die unterschiedliche Kostenbelastung von Straßen- und Schienengüterverkehr.

Das Verkehrsministerium beriet bei Redaktionsschluss noch über eine Stellungnahme zu den Vorschlägen des Bahnvorstands.

rem