■ Kommentar
: Nach Mompers Abgang Druck für Erneuerung nimmt ab

Es war kein Sieg der Vernunft, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Erst nach sanftem Druck kam Wahlverlierer Walter Momper gestern zu der Einsicht, dass es ihm und seiner Partei besser bekommt, wenn er den Verzicht auf ein Spitzenamt erklärt. Der unbeliebteste Spitzenkandidat aller Zeiten wäre für die SPD in einer herausragenden Position eine schwere Hypothek gewesen.

Doch zu Erleichterung besteht in der SPD kein Anlass. Wenn sich nach Mompers Abgang die Haltung breit macht, dass keine weiteren Konsequenzen notwendig sind, wird die viel beschworene Erneuerung der Partei im Ansatz stecken bleiben.

Momper hat die Versäumnisse der letzten Jahre in seinem Brief deutlich benannt. Das Profil der SPD blieb in der Großen Koalition unscharf. Doch von denjenigen, die dafür Mitverantwortung tragen, etwa als stellvertretende Landesvorsitzende, ist bislang kein Wort der Selbstkritik zu hören gewesen. Die Versuchung, nach Mompers Abgang zur Tagesordnung überzugehen, wird groß sein.

Schon nach der verheerenden Wahlschlappe 1995 hatte die SPD eingestehen müssen, dass sie keine Volkspartei mehr ist. Schon damals hatte Strieder als künftiger Senator seiner Partei mangelndes Profil und Fehler in der Regierungsarbeit attestiert. Die Analyse war richtig, nur blieb sie folgenlos.

Nun könnte das Beharrungsvermögen erneut stärker sein als der Wille zur Erneuerung. Dafür spricht, dass alle Akteure an ihren Posten festhalten oder ein Senatorenamt ergattern wollen. Außer Momper hat bislang niemand sein Amt zur Disposition gestellt. Dafür war der Druck nicht groß genug, nachdem das Wahlergebnis nicht so schlimm ausfiel wie befürchtet.

Mit Mompers Abgang ist ein großer innerparteilicher Konfliktpunkt ausgeräumt. Nun können Fraktionschef Böger und Parteichef Strieder sich darauf konzentrieren, die Weichen für die Fortsetzung der Großen Koalition zu stellen. Doch wenn die SPD nicht mit einem klaren Neuanfang in die Große Koalition geht, wird sie einen hohen Preis bezahlen. Ob die Partei dann bei der nächsten Wahl noch über 20 Prozent kommt, darf bezweifelt werden.

Dorothee Winden