Die Messlatte wird im Millenniumsspiel tiefer gelegt

■ Bayern siegt wieder: Nach rekordverdächtigen zehn spielfreien Tagen 4:1 in Meppen

Meppen (taz) – Angekündigt war also das „Millenniumsspiel“ (Meppens Stadionsprecher) von „David gegen Goliath“ (Emsland-Kurier). Diese aufgeregten Synonyme ärgerten einige Emsländer. Ungefähr so, wie es sie ärgert, dass bei Darstellungen ihres Vereins immer diese Begriffe Torfmoor, Gummistiefel und Trecker fallen, noch bevor eine Silbe von Fußball die Rede ist (womit auch dieser Text ein ärgerlicher ist). Oder so, wie es sie an diesem Tag ärgerte, dass in der Halbzeit des DFB-Pokalspiels Uli Hoeneß die Mitgliedschaft beim SV Meppen angetragen wurde. Gut, es gab hier und da freundlichen Applaus, weil auch der Bayern-Manager freundlich war und das Anerbieten anzunehmen eine „Ehre“ nannte.

Aber andererseits war eben manchen Meppenern das Getue zu viel. Das hier war schließlich kein Freundschaftsspiel, sondern ein Pokalspiel. Es ging um etwas, gerade für den Verein, der nicht mehr nur geographisch tiefste Provinz ist, sondern dem nach dem Abstieg aus der zweiten Liga nun sogar der Fall in die Viertklassigkeit droht.

Es hätte also ein Spiel werden sollen, um Mannschaft und Publikum wieder in Schwung zu bringen. Im Idealfall eines, das wenigstens Stoff für ein paar hübsche Kneipenanekdoten geliefert hätte. Nichts davon passierte. Statt dessen gab es ein glattes 1:4. Ein sturzlangweiliges, mittelmäßiges Fußballspiel, das mit ungleichen Mitteln ausgetragen wurde. Die Meppener spielten ordentlich und geordnet und hatten ihre Chancen, aber sie spielten ohne Chuzpe, so als würden sie nicht wirklich an ein gutes Ende glauben. Bayern reichte daher eine sehr dürftige Vorstellung.

Wieder erfüllten sich die Prognosen von Manager und Trainer nicht, dass die Mannschaft nun aber wirklich endlich fit sein würde. Auch zehn spielfreie und trainingsintensive Tage haben nichts besser gemacht. Wieder war Effenberg schlecht und die Abwehr sowieso. Nur weil Zickler ausnahmsweise etwas mit seiner Schnelligkeit anfangen konnte, reichte es für ihn zu zwei Toren und einem Torgeschenk an Elber. Elber sagte später, es sei „das gleiche, ob du gegen Barcelona oder Meppen spielst, du musst alles geben“. Nett. Ebenso, dass er die Stimmung im Stadion „super“ nannte.

Genau wie Ottmar Hitzfeld, der in seiner distinguierten Freundlichkeit die „tolle Atmosphäre“ lobte. Das tat er nach dem Spiel im großen VIP-Zelt, in dem die Pressekonferenz als Beiprogramm zum kalt-warmen Büffet präsentiert wurde. Meppener Honoratioren ließen sich Bier und Roastbeef schmecken und dazu die Worte eines berühmten Trainers, der die augenfälligen Schwächen seiner Abwehr reizend so erklärte: „Meppen hat heute die Messlatte hoch gesetzt.“ Nett. Aber nicht zutreffend. Bayern hatte sie niedrig gelegt, und die Atmosphäre war weder toll noch super.

Man könnte nun sagen, es sei ein Stimmungskiller gewesen, dass Bayern schon nach 39 Sekunden durch ein Tor von Jancker in Führung gegangen war. Aber das würde nicht stimmen. Denn Meppen schlug zurück, es war bloß Pech, dass Degen drei Minuten später nur die Latte traf. Das Publikum aber nahm die Vorlage nicht auf. Lange Zeit passierte nicht mehr viel. In der Bayern-Kurve grölte einer unablässig in ein Megaphon so originelle Mitteilungen wie „Auswärtssieg!“. Ansonsten machte sich norddeutsche Nüchternheit breit.

Vielleicht ist es auch einfach nicht mehr aufregend, einmal im Vereinsleben Bayern München leibhaftig zu Gast zu haben. Man sieht die sowieso jede Woche im Fernsehen und kennt sie alle aus dem Effeff, die Effenbergs und Kahns und Elbers. Ganze zehn Minuten lang , nachdem Capin den Anschlusstreffer erzielt hatte, entstand kurz so etwas wie Stimmung. Stimmung bedeutet in diesem Fall: Die Fankurve singt „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Richtig lustig ist das nicht. Als das nächste Bayern-Tor fiel, brachen viele Zuschauer auf, wohl um nicht in den Abfahrtsstau zu kommen. Vielleicht sogar, um rechtzeitig zur Spielzusammenfassung im Fernsehen zu Hause zu sein. Denn im Fernsehen sieht ja eigentlich alles aufregender aus, als es in Wirklichkeit ist.

Katrin Weber-Klüver