Clinton und Gore entsetzt über US-Senat

■  Die republikanische Mehrheit im Senat folgt ihrem Rechtsaußen Jesse Helms und lehnt Atomteststopp-Vertrag ab. Sie torpediert damit die seit Präsident Dwight Eisenhower bestehende US-amerikanische Atomwaffenpolitik

Washington (taz) – Der US-amerikanische Senat hat Mittwochabend die Ratifizierung des Atomteststopp-Vertrags (CTBT) mit 51 zu 48 Stimmen abgelehnt. Damit erreichte der Vertrag nicht einmal eine einfache, geschweige denn die für die Ratifizierung erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Präsident Clinton nannte die Entscheidung „parteipolitisches Abenteurertum“. Für Vizepräsident Al Gore war die Senatsentscheidung „das Werk von Rechtsextremisten“, er nannte sie „atemberaubend verantwortungslos“.

Mit der Ablehnung des Teststopp-Abkommens enden vorerst vierzigjährige Bemühungen, alle Atomwaffentests zu bannen, dicht vor Erreichung ihres Ziels mit einer für Clinton blamablen und für die USA peinlichen Niederlage.

Seit Präsident Eisenhower haben US-Regierungen sich bemüht, den Club der Atomstaaten möglichst klein zu halten.Bill Clinton unterzeichnete am 24. September 1996 als erster den Teststopp-Vertrag, der in zweijährigen Verhandlungen der Genfer Abrüstungskonferenz erstellt worden war. Das Abkommen ist bisher von 151 Staaten unterzeichnet sowie von 26 Staaten ratifiziert worden. Es sollte nach Ratifizierung durch die USA und 43 weitere Staaten in Kraft treten. Von den 44 Nationen, die Nuklearwaffen haben oder theoretisch auf Grund ziviler Atomprogramme entwickeln könnten, haben bisher nur drei nicht unterzeichnet: Nordkorea, Indien und Pakistan. Indiens alter und neuer Premier stellte seine Unterschrift in Aussicht, und Pakistan wollte Indiens Schritt folgen. „Der Versuch, Atomwaffen zu chten, beruht auf einem Deal“, erklärt Thomas Graham, ehemaliger Abrüstungsunterhändler der USA, in der Washington Post: „Die meisten Staaten willigten ein, keine Atomwaffen zu entwickeln, und die Länder des Atom-Klubs versprachen, Abrüstungsverhandlungen mit dem Ziel der Abschaffung von Atomwaffen zu führen. Das Teststopp-Abkommen war eine Nagelprobe.“

Das Ende aller Atomversuche wird in Meinungsumfragen von über 80 Prozent der US-Bürger unterstützt. Dennoch scheiterte der Vertrag nun auf Grund politischer Kleinkrämerei: Der außenpolitische Ausschuss des Senats unter seinem Vorsitzenden Jesse Helms, einem rechtskonservativen Republikaner aus North Carolina, benutzte den Vertrag als Druckmittel, um zwei andere Verträge auszuhebeln, die Clinton dem Senat wohlweislich nicht zuleitete, weil er um deren Ratifizierung fürchten musste: das Klimaabkommen von Kyoto sowie Anlagen zum ABM-Vertrag, der die Entwicklung von Raketenabwehr verbietet.

Etliche Republikaner wollen von Klimaschutz nichts wissen und halten den ABM-Vertrag, der das Prinzip der nuklearen Abschreckung festschreibt, weil er nationale Raketenabwehrsysteme verbietet, für überlebt. Sie befürworten den Aufbau einer amerikanischen Raketenabwehr entlang der Linien von Reagans „Star Wars“-Programm.

Eine Minderheit von republikanischen Teststopp-Gegnern im Senat begann schon vor längerem, hinter den Kulissen Stimmen gegen das Abkommen zu sammeln. Erst als der Vertrag jetzt überraschend auf die Tagesordnung gesetzt wurde, zeigte sich, dass er keine Mehrheit hatte. Clinton drängte, die Abstimmung zu verschieben und das Abkommen ernsthaft zu debattieren, doch ein Teil der Republikaner wollte die Gelegenheit nutzen, ihm eine Niederlage zu bereiten.

Bei den Debatten ging es denn auch nur vordergründig um die Auswirkungen des Vertrags auf die nationale Sicherheit der USA. Als Argument wurde immer wieder ins Feld geführt, dass der CTBT nicht verifizierbar sei und dass zur Erhaltung der Abschrekkungskraft des nuklearen Arsenals der USA Tests unumgänglich seien. Der Vertrag aber sieht ein Netz von Überwachungsstationen vor. Atomtests müssten, um unentdeckt zu bleiben, sehr klein gehalten werden, was ihre Brauchbarkeit für die Entwicklung einer starkem Atomwaffe einschränkt. Das bestehende Atombombenarsenal der Vereinigten Staaten ist nach umfangreichen Tests zustande gekommen – kein Land hat mehr Atomtests durchgeführt als die USA –, und seine Weiterentwicklung bzw. Erhaltung ist seit Jahren durch Computersimulationen gesichert – den letzten unterirdischen Atomversuch veranstalteten die USA 1992. Peter Tautfest