Multikultitruppe?

Seit es die Bundeswehr gibt, hat sie zu kämpfen. Sie war noch nicht gegründet, da riefen die Gegner schon: „Ohne mich“. – „Nun verteidigt mal schön“, hieß es seit 1955, dabei war der Gedanke wohl niemandem angenehm, im Ernstfall auf Ostdeutsche schießen zu müssen. Anfang der Sechzigerjahre berichtete der Spiegel, dass es dazu nicht kommen könnte, da die Bundeswehr nur „bedingt abwehrbereit“ sei.

Die Truppe steht auch derzeit unter öffentlichem Beschuss: gestörte Gelöbnisse, rechtsradikale oder bekiffte Rekruten, schießlustige Frauen, benachteiligte Homosexuelle, zweifelhafte Auslandseinsätze, marode Ausrüstung, Rufe nach einer Berufsarmee.

Und vom 1. Januar 2000 an hat die Bundeswehr wahrscheinlich ein neues Problem. Dann gilt das neue Staatsbürgerschaftsrecht, nach dem deutscher Staatsbürger ist, wer hier geboren wird, sofern ein Elternteil mindestens acht Jahre mit Aufenthaltsgenehmigung in der Bundesrepublik gelebt hat. Auch alle Ausländer, die länger als acht Jahren in der Bundesrepublik leben, können zu deutschen Staatsbürgern werden.

Spätestens bis zum 23. Lebensjahr müssen sich Mehrstaatler für einen Pass entscheiden.

Noch ist nicht abzusehen, wie viele der derzeit etwa sieben Millionen Ausländer den deutschen Pass beantragen werden und gleichzeitig im wehrpflichtigen Alter zwischen 18 und 25 sind. Klar ist aber, dass alle männlichen Kinder nichtdeutscher Eltern, die nach Silvester geboren werden, frühestens ab 2018 zur Bundeswehr eingezogen werden können.

Bleibt die Geburtenrate ausländischer Kinder wie 1997 und nimmt man an, die Hälfte der Geborenen ist männlich und tauglich und will tatsächlich zur Bundeswehr, müssten etwa fünfzigtausendzusätzliche Feldbetten her. 1998 hatte die Bundeswehr Platz für etwa 135.000 Wehrpflichtige, insgesamt gibt es rund 335.000 Soldaten.

Erfahrungen mit Soldaten aus ursprünglich anderen Ländern hat man bei der Bundeswehr bereits. Die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld schreibt in ihrem Bericht von 1998, dass es bei der Integration von wehrpflichtigen Spätaussiedlern aus Staaten der früheren Sowjetunion Probleme gab. Jedes Jahr werden etwa fünftausend Aussiedler einberufen.

Die ähnliche Vorbildung und die gleiche Sprache führen dazu, dass die Aussiedler fast unter sich bleiben. Ein Kompaniechef engagierte in seiner Not bereits einen Dolmetscher. Marienfeld äußert in dem Bericht die Vermutung, dass einige das Sprachdefizit nur vortäuschen. Eine „Folge der Konzentration von Spätaussiedlern in der Truppe ist oft, dass diese Soldaten eigene Strukturen und eine eigene Hierarchie herausbilden, welche die miltärischen Führungsstrukturen unterlaufen“, heißt es dort. Enno Bolten