Warten auf das Emssperrwerk

■ Die Dyklopers warten sehnlichst auf die Entscheidung des Gerichtes / Eine Bürgerinitiative zieht Bilanz

Da sitzen sie in Elfriede Oorlogs Bauernküche in Mitling-Mark/Ostfriesland beim Tee. Die Küche strahlt bürgerliche Gemütlichkeit aus. Hier treffen sich die Dyklopers, eine Bürgerinitiative, die mit ihren 27 Mitgliedern im Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) organisiert ist. Für die einen sind die Dyklopers Kult., für andere schleudern Morddrohungen gegen sie. Seit Jahren stehen die Dyklopers in der ersten Reihe im Kampf gegen die Zerstörung der Ems. „Wir halten vor Ort unsere Köppe hin für den Widerstand“, meint Walter Bünker (60, Pensionär). Bünker ist alter Kämpe. Gegen den Dollarthafen hat er agitiert, gegen die Verlegung des Ditzumer Hafens und gegen Deichdurchbrüche für Schleusen an der niederländischen Küste. Stolz reiht der ehemalige Greenpeace-Aktivist Sieg an Sieg im Kampf um den Erhalt der Umwelt. Als bei Strassenbauten vor seinem Haus eine alte Blutbuche gefällt werden sollte, flitzte er von der Teetafel weg direkt in die Baggerschaufel: „Der Baum bleibt.“ Wegschauen gibt es für Bünker nicht. „Man darf nur keine Angst haben und muss beharrlich bleiben“, lautet sein Motto.

In der Oorlogschen Küche knistert Nervosität. Auch die Dyklopers warten mit Spannung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes Oldenburg. Darf das Sperrwerk weitergebaut werden oder bleibt der Baustopp des auf über 360 Millionen Mark veranschlagten Bauwerks bestehen. Immer wieder hatte das Gericht den Urteilsspruch verschoben. Immer wieder musste die Planungsbehörde neue Unterlagen bei Gericht nachreichen. Jetzt wird täglich eine Entscheidung erwartet.

Offiziell soll das Sperrwerk bei Sturmflut vor Überschwemmung schützen. Elfriede Oorlog (59, Hausfrau) verdreht die Augen. Oorlog ist eine der Mitbegründerinnen der Dyklopers. „Vor fünf Jahren fingen wir an, gegen die Ausbaggerungen der Ems zu prozessieren. Allein meine Klage gegen die Vertiefung der Ems auf 7,30 Meter hat das Gericht fünf Jahre nicht behandelt“, Elfriede Oorlog kann sich bis heute nicht beruhigen. „Ich habe dem Richter gesagt, ich habe Angst, die Vertiefungen könnten die Deiche aushöhlen. Schon einmal sind wir bei einer Sturmflut knapp an einem Deichbruch vorbeigerutscht.“ Um ihr die Angst zu nehmen, schickte ihr daraufhin die örtliche Deichacht jedes Jahr die Abschlussberichte der Deichkontrolle. Tenor: Unsere Deiche sind absolut sicher. „Kaum wurde das Sperrwerk als Küstenschutzanlage geplant, verfassten die gleichen Deichrichter eine Resolution, in der stand, die Deiche wären nun nicht mehr sicher, ein Sperrwerk müsse her,“ Oorlog hat ihr Vertrauen in amtliche Planer verloren.

Für die Dyklopers ist klar, das Emssperrwerk ist ein Geschenk an die Papenburger Meyer-Werft. Die braucht tiefes Fahrwasser, um die Ozeanriesen aus der Werft im Binnenland ca. 40 km ins tiefe Nordseewasser zu schleppen. Wilfried Penning (31, Angestellter): „1996 kam auch ich als Schaulustiger an die Ems, um bei der Überführung der Mercury dabei zu sein. Tausende von Menschen starrten auf den Stahlkoloss, auf die Brühe im Fluss und zertrampelten die Deiche. Wahnsinn.“ Penning erzählte Arbeitskollegen sein Erlebnis. Hermann Bertus (44, Beamter) half seinem Kollegen beim Coming Out: „Ich kenne da eine Gruppe, die Dyklopers, die wehren sich gegen die Zerstörung der Ems.“

Bertus– Engagement für den Fluss kommt nicht von ungefähr. Er ist wie Walter Bünker an der Ems aufgewachsen. „Als Kinder haben wir in der Ems gebadet. Wenn man heute erzählt, dass es in der Ems öffentliche Badeanstalten gegeben hat, wird man für bekloppt gehalten“, sagt Bertus. Heute ist das Baden in der Ems gefährlich. Nicht nur, weil der Fluss verdreckt und verschlammt ist. Seine Fließgeschwindigkeit hat sich durch das Ausbaggern fast verdoppelt. 1984 brauchte die Flut von Emden nach Papenburg gut 95 Minuten“, weiss Skipper Bünker, „heute schafft sie die Strecke in 57 Minuten.“

Die Zukunft der Ems ist völlig offen aber: „Unsere Karten stehen nicht schlecht, das Sperrwerk zu verhindern“, schmunzelt Elfriede Oorlog. Sie fingert ein Papier aus dem Aktenstapel. „Während des Planfeststellungsverfahrens für die Emsvertiefung auf 7,30 wurde als Alternative auch ein Sperrwerk erwogen. Damals lehnte die Planungs behörde den Bau ab. Begründung, zu unsicher, zu teuer, zu umweltschädlich. Daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Und selbst wenn das Gericht jetzt den Baustopp aufheben würde, wäre Wilfried Penning nicht frustriert: „Erstens klagen dann die grossen Umweltschutzverbände erneut auf einen Baustopp. Und dann beginnen die eigentlichen Hauptverfahren gegen das Sperrwerk.“

Dadurch könnte eine absurde Situation entstehen. Herrmann Bertus grient: „Stellen wir uns mal vor, das Gericht verschleppt das Hauptverfahren, das Sperrwerk wird gebaut. Dann muß das Gericht trotzdem im Hauptverfahren entscheiden. Vielleicht sagt es dann, gut, das Sperrwerk steht, es darf nur zum Sturmflutschutz genutzt werden, nicht zu Stauzwecken, weil ein Stau zu umweltschädlich und gefährlich ist. Meyer säße wieder auf dem Trockenen.“ Und Walter Bünker raunzt: „Hej is d–r noch neit.“ Thomas Schumacher