Reizende Herren, einsame Frauen

■ Dan Penn und Spooner Oldham sangen und erzählten voller Soul im Moments von dem dunklen Ende der Straße

Als ich noch ein kleiner Junge war, so vierzehn oder fünfzehn, fiel mir das Album 'Flyin' Shoes' von Townes Van Zandt in die Hände. Der gleichnamige Song war, wie der Titel schon andeutet, ein Lied vom Unterwegssein, wofür dann wieder mal niemand was gekonnt haben will, weil es eben stärker ist als man selbst, und bezog einen Gutteil seines beträchtlichen Reizes aus den gleich einem klaren Bergbach perlenden Piano-Ornamenten eines Spooner Oldham. An diesen Song dachte ich fortan immer, wenn ich den komischen Namen hörte oder las. Dass das überhaupt geschah, war nahezu notwendig mit der Gewohnheit verknüpft, bei Schallplatten auch mal nachzuschauen, wer im Hintergrund zu hören ist, und wer die Songs geschrieben hat.

Dan Penn ist auch so ein Fall. Allein, mit seinem Kumpel Spooner Oldham und auch mit anderen hat er zahllose Songs geschrieben, die später von Otis Redding oder Aretha Franklin gesungen wurden. Wahrscheinlich kriegen sie jeden Monat einen dicken Scheck wegen der Tantiemen ihrer Songs. Und ab und zu schreiben sie vielleicht auch noch mal einen neuen, nehmen zusammen eine Platte auf oder gehen eben auf Tour.

Und dann erzählen solche Leute ganz beiläufig die Geschichte hinter dem Song; „den habe ich mit Chips Moman geschrieben, das muss so '66 oder '67 gewesen sein“. Und dann setzt er sich die Brille auf, denn wer kann sich schon Hunderte von Texten merken, und die Augen wollen auch nicht mehr so richtig, wir haben es hier ja auch wirklich schon mit etwas reiferen Herren zu tun. Und dann spielen sie einfach noch einen aus ihrem Programm, vielleicht „At the dark End of the Street“, oder einen Song, den Spooner damals mit diesem und jenem geschrieben hat, und Dan Penn beschwert sich, dass ihn damals niemand angerufen hat. Und dann brummelt er ins Mikrophon: „Du kannst sie schließlich auch nicht alle schreiben...“ Songs, in denen sie behaupten, dass einsame Frauen gute Liebhaberinnen sind, in denen sie sich lustig machen über Leute, die heiraten wollen, Lieder von verbotener Liebe, die nichtsdestotrotz stärker ist als alle Verbote, und alles dazwischen.

Dan Penn singt sie soulig, aber ohne herumzuschreien und zu tun, als würde ihn das Leid jetzt, gerade jetzt und zu diesem Zeitpunkt noch einmal völlig umhauen. Und Spooner spielt dazu auf einem Wurlitzer E-Piano, dass die Veranstalter im Moments für den übrigens ersten und einzigen Auftritt der beiden Kämpen in Deutschland (dem Sponsor Sparkasse sei Dank!) noch eigens borgen mussten. Denn zwei so verdienten und reizenden älteren Herren kann man nun wirklich nicht zumuten, dass sie ihr Klavier noch selber aus den USA nach Europa schleppen müssen.

Und auch, dass sie eineinhalb Stunden am Stück auf der Bühne sitzen. Da machen sie lieber nach 45 Minuten mal eine Pause und kommen später wieder, was ja auch eine nette Sache ist. Kurz mal für kleine Jungs oder ebensolche Mädchen, noch 'n Bier. Zumal das Moments bestuhlt war und du dich mit ein bisschen Pech erst durch diverse Sitzreihen kämpfen musstest, was bei der wirklich überaus gediegenen und nicht selten wirklich leisen Performance von Penn/Oldham schon störend wirken konnte. Ach – „den nächsten Song habe ich geschrieben, das muss so 1959 gewesen sein...“ Andreas Schnell