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Endlich „FFH-Gebiete“ oder wieder eine „Niete“?

■ Neun Gebiete sollen der Europäischen Union als naturschützenswert nach den „FFH-Richtlinien“ genannt werden / Bau- und Umweltsenatorin präsentierte Vorschlagsliste

Wie Taktiken sich ändern: Um sicherzugehen, dass Bremens Vogelbrutgebiete durch die EU geschützt werden, wurde noch 1995 die förmliche Meldung nach Brüssel am Senat und Parlament vorbei organisiert. Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne) war verantwortlich, daraus wurde die „Piepmatzaffäre“, und - bum - aus die Laus wars mit der Ampel-Koalition.

Fünf Jahre später: Bau- und Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD) hat sich darauf festgelegt, für neun Naturgebiete den EU-Schutz nach der sogenannten FFH-Richtlinie zu beantragen. Ähnlich wie beim EU-Vogelschutzgebiet verbietet ein Schutz nach FFH-Richtlinien, dass ein ökologisch wertvolles Gebiet angetastet wird. Der taktische Unterschied zu früheren Zeiten: Noch bevor der Vorschlag in die Deputation, ins Parlament oder in den Senat geht, wird er von der Behörde öffentlich gemacht. Kalkuliert wird: Wer jetzt noch gegen die Meldung anstänkern will, muss das genauso öffentlich tun und gute Argumente haben.

Die Seite, von der man es am ehesten erwartet, gibt sich noch nicht kämpferisch. Der baupolitische Sprecher der CDU, Helmut Pflugrad, erklärt: Nach seinem bisherigen persönlichen Kenntnisstand, nach Rücksprache mit dem CDU-geführten Wirtschaftsressort, ohne das Thema in der Fraktion besprochen zu haben stehe für ihn fest: Es wird dem Land Bremen nicht viel anderes übrig bleiben, als die neun Gebiete zu melden. Eine andere Frage sei, ob es später Ausnahmen geben könne, wenn man doch noch auf den Flächen bauen will.

Und so wird nun folgender Vorschlag unterbreitet: Angemeldet werden sollen neben dem Hollerland mit 293 Hektar auch der Weddewardener Außendeich in Bremerhaven (113 Hektar), das Blockland (2.539 Hektar), Niedervieland-West (285 Hektar), Außendeichsland der Lesum (165 Hektar), Werderland (546 Hektar), Kuhgrabensee (32 Hektar), Grambker Feldmarksee (23 Hektar) und die Heide plus Heideweiher auf der Rekumer Geest (23 Hektar). Viel wäre zu erzählen, was an den einzelnen Gebieten so einzigartig ist: Von den Armleuchteralgen in den Seen, von schwimmenden Steinbeißern und auch von Schlammpeitzgern, von einzigartigen Binnensalzstellen und vom großartigen Säbelschnäbler.

Am wenigsten umstritten müsste eigentlich das Hollerland sein. Unter den neun Gebieten wird es als herausragend benannt: Nur hier gibt es „prioritäre“ Typen und Arten, die sonst so gut wie ausgestorben sind. Auch ein ganz neues Gutachten des Hamburger Zoologen Wilkens bestätigt die Besonderheit der Fläche – was abzusehen war. Dennoch hatte der Senat den überflüssigen Gutachtenauftrag (Kosten: 25.000 bis 50.000 Mark) kurz nach der Wahl erteilt (die taz berichtete, 3.8.1999).

Allein: Die Debatte wird sich nun an ganz anderen Fragen entzünden. Der Weddewardener Außendeich etwa soll mit dem Containerterminal CT IV zugebaut werden. Dem Hollerland ist eine Online-City angedroht (siehe taz-Uni-Extra). Und ob die Bauern im Blockland sich schlicht damit abfinden, dass ihre gedüngten Äcker auf einmal geschützt sind, ist fraglich.

Für Martin Rode vom Bund für Umwelt und Naturschutz ist die Vorschlagsliste „ein großer Schritt nach vorne, aber noch keine vollständige Meldung“. Im April hatte die Umweltschutzorganisation eine Schattenliste vorgelegt, welche elf Bremer Gebiete aus ihrer Sicht angemeldet werden sollten. Zwei Gebiete fehlen also jetzt. Rode hat vor allem Sorge, dass der Vorschlag jetzt doch noch politisch kleingeredet wird. Dabei: „Es besteht eine Meldepflicht, und deshalb gibt es eigentlich keinen Spielraum“. Spätestens Ende November muss der Senat entscheiden: Sonst drohen saftige Strafen der EU. Denn eigentlich hätte man der EU die Gebiete schon 1996 anzeigen müssen. cd

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