Die Angst des Staates vor den Pfarrern

■ Die Berliner Gemeinden gaben Bürgerrechtlern das wichtigste Forum für ihren Protest gegen das SED-Regime. Nur in der Kirche konnten sie offen öffentlich reden. Doch schnell zerbrach diese Allianz

Erich Honecker hat es scharf erkannt. Bei der „friedlichen Revolution“, die 1989/90 sein Regime beseitigte, waren aus Gotteshäusern „Parteihäuser“ geworden. Gemeinden überall in der DDR nahmen Partei für alle, die Freiheit wollten. Trotz mancher Vorbehalte bei Kirchenoberen wurden Friedensgebete im ganzen Land zu Keimzellen des öffentlichen Protestes. Aus den Kirchen kam der Ruf „Keine Gewalt“, der entscheidend dafür war, dass der Umsturz friedlich blieb.

Fast alle Bürgerrechtler suchten den Schutz der Kirche, denn nur hier konnte in der Öffentlichkeit offen geredet werden. Viele Bürgerrechtler stammten aus der Kirche oder nutzten ihr Dach – wie etwa Marianne Birthler, Wolfgang Ullmann, Konrad Weiß, Freya Klier, Stephan Krawczyk, Werner Schulz, Vera Wollenberger und Rainer Eppelmann.

In Berlin war 1986/87 vor allem die kritische „Umweltbibliothek“ der Zionsgemeinde prägend: Der Protest gegen ihre Durchsuchung durch die Stasi führte erstmals zu einer größeren Mobilisierung oppositioneller Gruppen in der DDR. Im Wendeherbst 89 spielte die Gethsemane-Kirche eine herausragende Rolle. „Wer in Ost-Berlin die bisher öffentlich gemachten Aufrufe kennenlernen will, der geht dieser Tage in die Gethsemanekirche“, schrieb die taz damals. Bedeutend waren unter anderem auch die Bartholomäus-, die Samariter-, die Golgatha-, die Elias-, die Sophien-, die Bekenntnis- und die Erlöserkirche.

Kritische Veranstaltungen über Umweltzerstörung, Wehrdienst oder Ausreise machten den Parteibonzen ebenso Angst wie Mahnwachen für inhaftierte Bürgerrechtler, kritische Gesprächskreise oder Konzerte von Liedermachern. Sobald jedoch der Fall des Regimes absehbar war, zerbrach die Koalition zwischen Kirche und Oppositionsbewegung. Ihre Protagonisten erwarteten nichts mehr von der Kirche. Sie mischten sich nun, auch über die Parteien, direkt in die Politik ein. ges