Das Super-Schutzgebiet

Die „Aufwertung“ des FFH-Gebiets Haseldorfer Binnenelbe soll die Zerstörung des Mühlenberger Lochs ausgleichen  ■ Von Gernot Knödler

Heute beginnt das Planfeststellungsverfahren für die angestrebte Aufwertung des Naturschutzgebietes „Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland“, mit dem die avisierte Zerstörung eines Teils des Mühlenberger Lochs ausgeglichen werden soll. Die Umweltverbände Nabu und BUND haben dieses Ansinnen kritisiert und Einwände angekündigt. „Das gibt einen Riesenklamauk“, prophezeite Hans Jacobi, der für den Hamburger Nabu das Schutzgebiet betreut.

Ein halbes Dutzend Ordner zu dem Vorhaben können bis zum 17. November an Werktagen im Hamburger Amt für Strom- und Hafenbau in Augenschein genommen werden. Darin wird beschrieben, wie 400 Hektar Schutzgebiet hinter dem Deich wieder der Tide ausgesetzt werden sollen und wie deren Einfluss im vordeichs gelegenen Twielenflether Sand zu verstärken wäre. Zentrales Projekt: Bei Kilometer 11,1 sollen zwei Hubtore in den Deich gebaut werden, durch die das auflaufende Wasser in das Marschland strömen kann.

„Den Tideeinfluss zu stärken, ist das Ziel des Naturschutzes an der Unterelbe“, sagt Walter Hemmerling, der Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Stiftung für Naturschutz, der ein großer Teil der 400 Hektar gehört. Grundsätzlich betrachtet sei das ein Weg zu mehr Natürlichkeit. Bis zur Verkürzung der Deichlinie 1979 war das Gebiet Ebbe und Flut aus Süßwasser ausgesetzt und damit ein Lebensraum mit einem ganz besonderen Ökosystem.

Nichtsdestotrotz hält der Schutzgebietsbetreuer Hans Jacobi die Pläne für „dilettantisch und ungesetzlich“. Dilettantisch „weil ihnen nichts anderes einfiel“, wettert Jacobi. Ungesetzlich, weil die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein damit in ein bestehendes Naturschutzgebiet eingreifen wollen. Damit der Ausgleich gültig sei, müsse nachweislich eine Verbesserung eintreten „und dieser Nachweis wird nicht gelingen“.

Denn die Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland ist bereits ein Schutzgebiet nach der Vogelschutz- und der FFH-(Trittin: „Fiecher, Flanzen, Heimat“)-Richtlinie der EU und Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. „Die Haseldorfer Marsch hat bereits den höchsten nationalen und internationalen Schutzstatus“, konstatiert Hans Evers, der Sprecher des Nabu im Kreis Pinneberg.

In dem feuchten Grünland mit seinen vielen stehenden Gewässern hat sich eine Kormoran-Kolonie angesiedelt und ein Seeadler-Pärchen, das den Kormoranen, die Beute abjagt. Nonnengänse, Wachtelkönige, Rotschenkel und Kiebitze leben im Schutzgebiet, dazu viele Amphibien und Fische. Schwer zu toppen, findet Sibylle Macht-Baumgarten: „Wir sträuben uns dagegen, dass mit dem Mühlenberger Loch eine Natura-2000-Fläche zugekippt und eine andere vermeintlich aufgemotzt wird“, sagt die Vorsitzende des BUND in Schleswig-Holstein. „Denn wenn das Schule macht, dann brauchen wir für alle Ausgleichsmaßnahmen nur noch ein Schutzgebiet, das man immer hübscher macht.“

Dass es überhaupt durch die vorgeschlagenen Arbeiten aufgewertet wird, bezweifelt Rudolf Abraham, Biologie-Professor an der Hamburger Uni. Er befürchtet, die geplanten Tore im Deich könnten zu klein sein, um genügend Wasser ins Land zu lassen. Das könne dazu führen, dass das Gebiet am Ende trockener sei als heute, zumal hohe Fluten draußen bleiben sollen.

Der Nabu-Referent warnte ausserdem vor der Gefahr, dass die Fluttore zu reparaturanfällig sein könnten. Abraham: „Wenn da ein Ökosystem eingerichtet wird, das tideabhängig ist, muss das technisch gut funktionieren.“ Er habe jedoch noch kein Öffnungsbauwerk kennengelernt, das so funktionierte, wie geplant.

Nach einer ersten Einschätzung des BUND Hamburg schließlich reichen die vorgeschlagenen Maßnahmen, zu denen auch das weitgehende Abbagern der Elbinsel Hanöfersand gehört, nicht aus: So gingen zum Beispiel im Mühlenberg Loch Rastplätze für 1400 Löffelenten verloren und lediglich 1000 würden neu geschaffen.