■ Berlin: Große Koalition, CDU-Tolerierung oder Opposition?
: Die SPD und die Qual der Wahl

Die Berliner SPD steht nach der verheerenden Wahlniederlage vom 10. Oktober vor drei schlechten Möglichkeiten: Sie kann zum dritten Mal ein Regierungsbündnis mit der CDU eingehen oder eine CDU-Minderheitsregierung tolerieren; sie könnte auch in die Opposition gehen und die CDU in die missliche Lage bringen, sich einen anderen Koalitionspartner suchen zu müssen. Das würde zu vorgezogenen Neuwahlen führen, aus denen die SPD wohl kaum gestärkt hervorgehen würde. Diese Variante ist daher die unwahrscheinlichste.

Favorit der Koalitionsgegner ist eine CDU-Minderheitsregierung. Sie hoffen, dass die SPD auf der Oppositionsbank neue Stärke gewinnen könnte. Doch auch dieses Modell hat einen Haken: Jedes Gesetz des CDU-Minderheitssenats braucht eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Und da PDS und Grüne sich daran kaum die Hände schmutzig machen dürften, fiele der SPD erneut die undankbare Rolle einer Mehrheitsbeschafferin für die CDU zu.

Auch die Neuauflage der Großen Koalition ist nicht ohne Tücke: denn der SPD müsste es diesmal gelingen, ihre guten Leistungen im Senat der Öffentlichkeit nahe zu bringen. Ob diesmal gelingt, woran die SPD in den letzten neun Jahren gescheitert ist, hängt davon ab, wie konfliktfreudig und durchsetzungsfähig die SPD-SenatorInnnen sind. Ob der SPD dies mit dem vorhandenen Personal gelingt, ist mehr als fraglich. Die Folge wäre der weitere Niedergang der Sozialdemokratischen Partei.

Die Lage ist also verzwickt. Mit der Entscheidung für Sondierungsgespräche hat sich die Parteispitze erst einmal alle Optionen offen gehalten. Doch das ist in erster Linie taktisch bedingt. Die CDU, die für eine Regierungsbildung auf die SPD angewiesen ist, soll noch ein wenig zappeln. Damit treiben die Sozialdemokraten geschickt den Preis in die Höhe.

Verhandelt wird nur auf gleicher Augenhöhe, heißt es in der SPD. Obwohl die CDU mit 40,5 Prozent fast doppelt so stark ist wie die SPD mit 22,4 Prozent, beansprucht die SPD die Hälfte der acht Senatorenposten. Und auch die Stimmung der eigenen widerstrebenden Basis kann die SPD-Führung geschickt auffangen: mit der Aufnahme von Sondierungsgesprächen hat die Parteispitze Zeit gewonnen, um eine Mehrheit für eine Große Koalition sicherzustellen. Denn auch wenn die Parteispitze sich hütet, es öffentlich auszusprechen, präferiert sie eindeutig den erneuten Gang in eine Große Koalition.

Dorothee Winden