Hort der Basis, Hüterinnen des Programms

■ Die bündnisgrünen Frauen berieten schon vor dem Länderrat über die Strukturreform der Partei: Amt und Mandat wollen sie weiter getrennt wissen, doch niemand hört ihnen zu

Magdeburg (taz) – Der Kameramann von Phoenix packt zusammen. Die Rede der Parteisprecherin Antje Radcke zur Lage der Bündnisgrünen ist zu Ende, der Bundesfrauenrat der Grünen, das höchste frauenpolitische Gremium der Partei, beginnt mit seinen Beratungen der Parteireform. Die frauenpolitische Sprecherin Angelika Albrecht tritt ans Podium, die Presse verlässt den Saal.

„Wir tagen vor dem Länderrat“, so haben sie selbstbewusst geplant, damit sie ihre Position zur Strukturreform dem Länderrat anschließend gleich vorstellen können. So wirkungslos, wie der Auszug der Kamerateams suggeriert, ist der Frauenrat nicht, meint Sprecherin Angelika Albrecht. Die Presse habe zwar kaum Notiz von dem Papier „Frauen nach vorn“, genommen, in dem sie die Debatte um die Doppelspitze als Ausweichmanöver der Fraktion brandmarkte. „Dass für Äußerungen von Mitgliedern der Bundestagsfraktion nicht in erster Linie der Parteivorstand zuständig ist, auf die Idee kommt mann erst gar nicht“, heißt es dort.

Doch dieses Papier habe Wirkung in der Strukturkommission gezeigt: Plötzlich sei keine Rede mehr von einem Generalsekretär, der die Parteisprecherinnen zu Beiwerk degradiert hätte, und auch nicht von einer Abschaffung der Doppelspitze.

Ist es die Ruhe nach dem Sturm, oder warum wirkt dieser Frauenrat so gelassen? Es ist wohl mehr die Gewöhnung. „Es wird eine Strukturdebatte geben, solange wir besondere Strukturen haben, so lange es Quote, Doppelspitze und Sprecherinnen gibt“, meint etwa Barbara Steffens aus NRW. „Dabei braucht nicht die Partei eine Strukturreform, sondern die Fraktion!“ Rauschender Beifall. Die Fraktion verbreite eine Kakophonie von Einzelmeinungen, die zum Teil in diametralem Gegensatz zum Programm stünden, sei es zur Rente, seien es neoliberale Töne aus dem Arbeitskreis Wirtschaft. Und mit der Frauenpolitik ist man allemal unzufrieden: „Uns das 630-Mark-Gesetz als frauenpolitischen Fortschritt zu verkaufen, ist einfach eine Frechheit“, empört sich eine, „schließlich wollten wir die Versicherungspflicht von der ersten Mark an.“

Die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat handeln sie pragmatisch ab: „Das möchte ich mal sehen, dass jemand zwei Spitzenjobs gleich gut macht“, ist die nüchterne Feststellung Albrechts dazu. Meinungsbild: abgelehnt.

Keine Gnade für kleine Koalitionspartner, die sich mit so unbequemen Realitäten wie Wirtschaft und anderen Interessengruppen auseinandersetzen müssen. „Die Unternehmer sind nur eine Minderheit in der Gesellschaft und eine noch kleinere Minderheit unserer Wähler!“ ruft eine Delegierte in den Saal, und alle klatschen begeistert. Das klingt, als warteten sie nur noch auf den rechten Zeitpunkt, um in die kuschelige Opposition zurückzukehren. Aber als die bayerische Delegierte von „Schmerzgrenze“ und „Koalitionsfrage stellen“ spricht, erntet sie nur Kopfschütteln. Die Macht, die man hat, will man nicht mehr loslassen. Schnell und gelassen folgen die Abstimmungen zu den Forderungen, die man der frauenpolitischen Sprecherin der Fraktion, Irmingard Schewe-Gerigk, mitgibt: Frauenbeauftragte in Unternehmen, mehr Rente für Frauen, Frauenhandel bekämpfen. „Die Gleichstellungsbeauftragte braucht ein Klagerecht.“ Punkt.

Am Abend im Hotel unterhalten sich junge Delegierte darüber, ob man gleichzeitig revolutionär sein kann und bei Aldi einkaufen, wo doch die Angestellten ausgebeutet werden. Und dass die meisten ihrer Komilitoninnen keine Karrierepläne haben, sondern irgendwann Kinder kriegen wollen und auf die Versorgerehe hoffen. „Alle doof außer uns,“ fasst Ramona Pop vom Grünen Jugendbündnis ironisch zusammen. Man unterhält sich über Karrierefrauen, die die Quote verstopfen, und dann keine ordentliche Frauenpolitik machen. Und dass man irgendwie strategischer vorgehen muss, um mehr wahrgenommen zu werden. Nicht so viel über Privates quatschen, sondern Strategien entwickeln wie die Männer. „Ach ist das schön, mal wieder zusammenzusitzen“, stöhnt eine wohlig. Am nächsten Tag übermittelt der Bundesfrauenrat sein Meinungsbild zur Strukturreform dem Länderrat. Der spricht sich dennoch dafür aus, die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben. Das ZDF überträgt am Samstagabend zwei Minuten Andrea Fischer, Rezzo Schlauch und Jürgen Trittin und bedauert, dass Joschka Fischer nicht anwesend war.

Heide Oestreich