Lockere Krume

Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 18: Richtig gutes Brot muss der wahre Fan selber backen  ■ Von Karen Schulz

Deutschland ist Brotland. Daran ist nicht zu rütteln, selbst wenn der Verbrauch des gebackenen Grundnahrungsmittels vor hundert Jahren noch etwa doppelt so hoch war. Zwar haben sich mit zunehmendem Wohlstand die Essgewohnheiten so geändert, dass günstiger Preis und hoher Sättigungsfaktor allein nicht als Motivation für den Kauf eines bestimmten Nahrungsmittels reichen. Trotzdem steht Deutschland im europäischen Vergleich mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 80 kg Brot ganz vorne und Brot ist nach wie vor ein fester Bestandteil unserer Kultur: Das zeigt schon die Bezeichnung Abendbrot für eine der drei festen Tagesmahlzeiten. Zum Vergleich: In Großbritannien heißt diese Mahlzeit „Tea“, was zum einen auf den hohen britischen Teeverbrauch hindeutet und sich zum anderen im vergleichsweise niedrigen Brotkonsum unserer InselnachbarInnen manifestiert.

Belegte Brote, Pausenbrot, Brotzeit, Brötchen: Die Sprache macht deutlich, was der Deutschen Lieblingsessen war und ist – ebenso wie die begeisterte Übernahme und Adaption brotähnlicher Gebäcke aus anderen Kulturen wie beispielsweise türkischer Fladen, italienisches Ciabatta, amerikanische Bagels oder englische Sandwiches.

Das heutige Angebot beim Bäcker ist unübersichtlich, besonders im Brötchenbereich gibt es ständig neue Kreationen. Da werden Kerne, Kartoffeln oder Kräuter mitgebacken, neue Formen erdacht und allerlei mehr oder minder gesunde Zusatzstoffe beigemischt. Ob beispielsweise aus Fisch gewonnene Omega-3-Fettsäure nötig ist, bleibt fraglich – in jedem Fall macht sie das Brot untauglich für VegetarierInnen.

Je mehr Spielereien sich im Brot befinden, desto weiter entfernt es sich leider meist von dem leckeren, herzhaften Sauerteiggebäck, das tagelang frisch bleibt und zum Essen verlockt. Richtig gutes Brot von „altem Schrot und Korn“ findet man häufig nur noch beim Bio-bäcker oder im Ökoladen – die Erzeugnisse der Kettenbäckereien sind oft schon am zweiten Tag altbacken und muffig.

Der wahre Brotfan backt sowieso selbst: Zum einen hat man so Kontrolle über die Zutaten wie z. B. Ökosauerteig oder –hefe, frisch gemahlenes Mehl oder Schrot ohne Zusätze aus dem Ökoladen. Zum anderen ist das kräftige Kneten, das den Teig lockert, für die einen eine beliebte Tätigkeit, um aufgestaute Aggressionen abzuarbeiten, für die anderen 5 bis 10 Minuten Meditation in der Küche.

Auch ohne Brotbackmaschine, die etwa 360 Tage im Jahr in einer Ecke einstaubt, fällt die häusliche Brotherstellung nicht schwer. Wer zu faul zum Kneten ist, kann auch den Mixer mit den Knethaken bemühen. Zum Üben sollte man mit einfachen Hefebroten beginnen – das nebenstehende Rezept kann ohne Füllung auch gut in einer Kastenform gebacken werden. Wenn sich der Brotduft vom Ofen durch die ganze Wohnung zieht, kann man es meist kaum erwarten, bis man die erste Scheibe kosten kann: Klingt das Brot hohl, wenn man auf die Unterseite klopft, ist es fertig. Einige Kostproben aus dem eigenen Ofen – und „frischgebackene“ BrotbäckerInnen treiben bestimmt den deutschen Brotkonsum zu neuen Höhen.

Buchtips rund um Spezialitäten, gefüllte Brote und Grundrezepte: Linda Collister: Aromatisches Brot. Carlsen, 64 S., 24,90 Mark; Nichts passt besser zum eigenen Brot als selbstgemachte Aufstriche: Elisabeth Schwarz: Brotaufstriche und Dips. Gräfe & Unzer, 100 S., 19,80 Mark.