Ich möchte Teil einer Jugenderinnerung sein

■ Früher smells like Guinness: Das „Irish Folk Festival“ rockt die Hochschule der Künste

Hinter dem alten Fiddler prangt noch immer ein Regenbogen. Seit 25 Jahren ist der Geiger das Maskottchen des „Irish Folk Festivals“, das unermüdlich durch Deutschland tourt. Heute und morgen ist das Großkonzert in der Hochschule der Künste zu Gast, Headliner sind die Sängerinnen Cathie Ryan und Niamh Parsons.

Neue Namen in einer künstlerisch eher stagnierenden Szene: Die 90er-Jahre scheinen am Folk der Grünen Insel spurlos vorübergegangen zu sein. Während die Folks in Schottland, der Bretagne oder in Skandinavien mit Dancefloor, HipHop und Drum & Bass experimentiert, ist in Irland davon wenig zu spüren. Ob ein irisches Folk-Album heute oder vor zwanzig Jahren aufgenommen wurde, ist kaum herauszuhören.

Die letzten großen Veränderungen fanden Ende der 60er-Jahre statt. Der Wechsel vom traditionellen A-cappella-Gesang und Soloinstrumentalisten zum Ensemble war eine echte Revolution: Für Puristen war schon die Begleitung eines Dudelsacks mit der Gitarre eine Todsünde. Heute sind das Bandmodell und der Sound der 60er zum Standard geworden – und bleiben es auch. Dabei hat Irland sich in den letzten 25 Jahren ziemlich verändert. Aus dem armen Agrarland ist eine dynamische Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft geworden: der „keltische Tiger“. Das gestiegene Selbstbewusstsein hat musikalisch aber vor allem in aufwendigen Tanzspektakeln à la „Riverdance“ oder „Lord of the Dance“ Ausdruck gefunden. Die Compagnien touren heute weltweit und haben das in den 80er-Jahren erlahmte Interesse am Irish-Folk neu geweckt – ohne allerdings eine Weiterentwicklung auszulösen.

Dem Erfolg des deutschen Irish Folk Festival hat diese Stagnation nicht geschadet. Das Publikum ist sehr zufrieden. Man ist glücklich, wenn alles so klingt wie in den 70er-Jahren. Und schaut man sich den Altersdurchschnitt des Publikums an, dürften hier wohl nicht zuletzt Jugenderinnerungen gepflegt werden: an die Zeit, als die irischen Musiker der deutschen Folkszene eine entscheidende Wendung gaben – statt um politische Botschaften ging es jetzt Spielkunst.

Dabei kommt Carsten Linde, der das Irish Folk Festival von Anfang an organisiert hat, selbst aus der politischen Ecke. Sozialisiert im linken Zweig der bündischen Jugend, organisierte Linde in den 60er-Jahren bei den Waldeck-Festivals der deutschem Liedermacher-Szene mit. Ziemlich viele Stars der irischen Folk-Szene hat Linde, der sein Geld in Göttingen als Lehrer verdient, seither nach Deutschland geholt: die Fureys, De Dannan, Clannad, Altan und Dervish. Bei zehn bis zwölf Konzerten pro Tour werden so immerhin 20.000 bis 25.000 Zuschauer erreicht. Irish Folk ist zwar schon ziemlich lange nicht mehr hip, aber immer noch erfolgreich.

Christian Rath

Heute und morgen, 20 Uhr, Hochschule der Künste, Hardenbergstraße 33