The same irish procedure as every year

■ Die Vorschau: Das Irish Folk Festival tourt seit 25 Jahren durch Deutschland. Am Donnerstag gastiert es im Pier 2

Hinter dem alten Fiddler prangt noch immer ein Regenbogen. Seit 25 Jahren ist der Geiger das Maskottchen des durch Deutschland tourenden „Irish Folk Festivals“. Am Donnerstag gastiert das Mammut-Konzert im Pier 2. Headliner sind diesmal die Sängerinnen Cathie Ryan und Niamh Parsons – neue Namen in einer künstlerisch eher stagnierenden Szene.

Die 90er-Jahre scheinen am Folk der Grünen Insel spurlos vorübergegangen zu sein. Während die Folkwelt in Schottland oder in Skandinavien längst mit Dancefloor und Drum & Bass experimentiert, ist in Irland jenseits flacher Folkpop-Adaptionen davon wenig zu spüren. Ob ein irisches Folk-Album heute oder vor zwanzig Jahren aufgenommen wurde, ist kaum herauszuhören.

Es scheint so, also würde sich die irische Musik noch immer von dem großen Sprung ausruhen, den sie Ende der 60er-Jahre vollzog. Früher sang man a capella, und auch Instrumentalisten traten unbegleitet auf. Für die Traditionalisten war schon die Begleitung eines Dudelsacks mit der Gitarre eine Todsünde. Gerade weil Volksmusik in Irland noch ernsthaft gepflegt wurde, hatten es die Folkies schwer. Heute sind diese Kämpfe aber längst vergessen und was einst innovativ war, ist inzwischen Standard geworden.

Dabei hat Irland sich in den letzten 25 Jahren ziemlich verändert. Vom armen Agrarland hat es sich zu einer dynamischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, zum „keltischen Tiger“, gewandelt. Das gestiegene Selbstbewußtsein hat aber vor allem in aufwendigen Tanzspektakeln à la „Riverdance“ oder „Lord of the Dance“ Ausdruck gefunden. Die Tanzkompanien touren heute in der ganzen Welt und haben das in den 80er-Jahren erlahmte Interesse am Irish-Folk neu geweckt, ohne allerdings eine Weiterentwicklung auszulösen.

Dem deutschen Irish Folk Festival hat diese Stagnation nicht geschadet. Im Gegenteil, sie wird vom Publikum geradezu gefordert. Wenn Organisator Carsten Linde eher moderne Bands präsentiert, murrt ein großer Teil der Zuschauer und sieht darin eine Anpassung an den „Zeitgeist“. Die Leute sind glücklich, wenn alles so klingt wie in den 70er-Jahren. Das Konzept des Irish Festival blieb die ganzen Jahre unverändert: Vier bis fünf Acts spielen nacheinander ohne große Umbaupausen und am Schluss kommen alle gemeinsam auf die Bühne. Ziemlich viele Stars der irischen Folk-Szene hat Linde seither nach Deutschland geholt: die Fureys, De Dannan, Clannad, Altan und Dervish. .

Die Jubiläums-Tour prägen zwei Sängerinnen mit US-Appeal. Niamh Parsons ist zwar Irin, hat aber in den USA den Durchbruch geschafft. Ihre Stärke sind traurige Balladen. Cathie Ryan stammt aus Detroit und war lange Frontfrau der Frauenband „Cherish the Ladies“. Sie versprüht viel amerikanischen Frohsinn, überzeugt aber mit einer wirklich glasklaren Stimme. Außerdem zu hören: Beginish mit eher traditionellen Tanzstücken sowie Banjospieler und Sänger Davey Arthur im Duo mit dem Fiddler Seamus Creagh. Davey Arthur ist quasi Jubiläumsgast. Er war schon 1974 dabei, damals als 18-Jähriger.

Irish Folk ist zwar nicht hip, hat aber ein treues Publikum. Und es ist noch deutlich jünger als der alte Fiddler auf dem Plakat.

Christian Rath

Irish Folk Festival '99, 21. Oktober, 20 Uhr, Pier 2