SPD will Urwahl abschaffen

■  Die Frage ist nur: Wie und wann bringen es die Funktionäre ihrer Basis bei?

Die SPD will zumindest eine Konsequenz aus der deprimierenden Wahlniederlage ziehen: Die Urwahl über den Spitzenkandidaten soll abgeschafft werden. Äußerungen der Fraktionsspitze und ein Strategiepapier des Parteivorstandes sowie einiger Kreisvorsitzender lassen daran keinen Zweifel zu. Noch gibt es aber keinen Spitzengenossen, der öffentlich ausdrücklich die Abschaffung der Urwahl fordert. Die Basis, die sich für Walter Momper entschieden hatte, soll nicht brüskiert werden.

In dem internen Papier des Parteivorstandes steht unter Punkt 12 in verquastem Deutsch: „Die Erfahrungen mit der Urwahl haben gezeigt, dass die Dualität von Beteiligungsformen einerseits und sonstigen Funktionsweisen innerhalb der Partei zu sehr auseinander fallen. Die bisherigen Urwahlen haben sich als Nabelschauen der Partei und damit nicht zum Vorteil der SPD dargestellt.“ Im Klartext: Die Urwahl muß weg.

Vor fünf Jahren hatte sich Ingrid Stahmer in der Urwahl gegen Momper durchgesetzt und war als Spitzenkandidatin gescheitert. Als Negativbeispiel wird auch Rudolf Scharping genannt, der sich 1993 in einer Urwahl gegen Gerhard Schröder als Parteivorsitzender durchgesetzt hatte und später als Kanzlerkandidat scheiterte.

Fraktionschef Klaus Böger äußerte sich gestern zwar zurückhaltend, aber unmißverständlich: „Ich frage mich mit vielen anderen in der Partei, ob die SPD mit dem Instrument der Urwahl glücklich geworden ist.“ Deutlicher kann ein Spitzenpolitiker derzeit nicht werden. Landesgeschäftsführer Ralf Wieland sagt, warum: „Wenn jetzt die Funktionäre die Urwahl abschaffen, entsteht der Eindruck, die Mitglieder hätten den falschen Kandidaten gewählt.“

Eindeutig äußern sich Genossen aus der zweiten Reihe. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Gaebler sagte: „Die Erfahrung mit der Urwahl zeigt, daß sie nicht produktiv für die SPD nutzbar ist.“ Das Problem sei nicht so sehr die Auswahl der Kandidaten, sondern die Spaltung der Partei in Befürworter und Gegner des siegreichen Kandidaten.

Möglicherweise steht der SPD dennoch eine bevor. Zurzeit kursiert eine Unterschriftenliste, mit der für eine Mitgliederbefragung über die Koalitionsfrage geworben wird. 2.000 Unterschriften sind erforderlich. 500 sind zusammengekommen. Dennoch werden die Erfolgsaussichten der Aktion als gering angesehen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hermann Borghorst sagte, es gebe die Tendenz, diejenigen in die Verantwortung zu nehmen, die demokratisch legitimiert seien. „Der Bedarf an Urwahlen ist gedeckt.“

Markus Franz