Die PDS verliert den Makel der Unberührbarkeit

■ Bei den Berliner Grünen wird die ablehnende Haltung zur PDS aufbrechen. Zu den nächsten Wahlen müssen dann nur noch die Sozialdemokraten überzeugt werden

Die Wähler der Berliner Grünen sind schon weiter als die Partei. Das ist zumindest die Erfahrung, die Jeannette Martins aus dem Berliner Bezirk Prenzlauer Berg im Wahlkampf gesammelt hat: „Wir werden immer öfter gefragt, warum geht ihr nicht mit der PDS zusammen.“ Und ihr Fraktionskollege Bernd Köppl meit, vor allem die jüngeren Grünen-Wähler nähmen die PDS inzwischen als „normale, konkurrierende Kraft“ wahr. „Eine Zusammenarbeit mit der PDS ist in unseren eigenen Reihen umstrittener als in unserer Wählerschaft.“

Inzwischen mehren sich bei den Berliner Grünen die Stimmen, die eine erneute PDS-Debatte für unumgänglich halten. Denn ohne eine Zusammenarbeit mit der PDS ist die Große Koalition in Berlin nicht abzulösen. Die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Sibyll Klotz, forderte vergangene Woche auf dem Landesparteitag: Lasst uns die Debatte in Ruhe führen, damit uns bei der nächsten Wahl eine andere Option offen steht.“

Über das Verhältnis zur PDS haben sich die Grünen in den vergangenen fünf Jahren schon öfter die Köpfe heiß geredet. Die parteiinternen Befürworter einer Zusammenarbeit mit der Partei des Demokratischen Sozialismus waren bislang aber immer knapp unterlegen. Vor dem Wahlkampf hatten sich Grünen damit aus der Affäre gezogen, dass sich die Frage ohnehin nicht stelle: Denn die SPD hatte sich vor der Wahl darauf festgelegt, auf keinen Fall mit der PDS zu kooperieren. Ein weiter Grund war, dass zu diesem Zeitpunkt einige PDS-Bundespolitiker durch rückwärts gewandte Äußerungen negativ auffielen.

Schon damals erklärte die grüne Fraktionschefin Renate Künast: „Wir haben uns bemüht, nicht alle Türen für immer zuzuschlagen.“

Die jüngste Berliner Wahl wird nun zur Zäsur. Bernd Köppl ist überzeugt: „Das war das letzte Mal, dass der PDS der Makel der Unberührbarkeit angehängt werden konnte.“ Auch die SPD müsse ihre Haltung zur PDS überdenken, fordert Köppl. Bei den Sozialdemokraten sind es allerdings nur einige jüngere Kreisvorsitzende, die die PDS-Debatte anmahnen. Die SPD-Führung blockt bislang ab. Für SPD-Fraktionschef Klaus Böger kommt auch bei der nächsten Wahl in fünf Jahren nur „Rot-Grün pur“ in Frage.

Doch im Jahr 2004 liegt der Fall der Mauer 15 Jahre zurück. Bernd Köppl meint: „Eine Partei, die in Ostberlin über 40 Prozent der Wählerstimmen erzielt hat, kann nicht weiter ausgeschlossen werden.“

Bei den Grünen, schätzt Jeannette Martins, wird die ablehnende Haltung zur PDS „aufbrechen“. Die Vergangenheitsbewältigung ist für sie selbst nicht mehr das größte Hindernis für eine Zusammenarbeit. Vielmehr müsse die PDS sich von unrealistischen Politikentwürfen verabschieden. „Man kann bei dieser Haushaltslage nicht alles versprechen“, so Martins. Das müsse auch die PDS anerkennen.

Auch der grüne Landesgeschäftsführer Andreas Schulze rechnet damit, dass die Partei sich erneut mit der PDS-Frage befassen wird. Er plädiert dafür, dies „nicht als PDS-Debatte, sondern als Debatte über Äquidistanz“ zu führen. Als Ausgangspunkt gelte erst einmal die gleiche Entfernung zu allen Parteien. Die Grünen müssten dann entscheiden, mit wem sie die meisten Gemeinsamkeiten haben und mit wem sie am besten ihre politischen Ziele durchsetzen könnten. Die Frage einer Zusammenarbeit entscheide sich dann an inhaltlichen Fragen.

Dorothee Winden