■ Heute soll das neue Verfahren gegen Adriano Sofri beginnen
: Prüfstein für die italienische Justiz

Der Prozess gegen Adriano Sofri, Ovido Bompressi und Giorgio Pietrostefani wird heute in Mestre wieder aufgerollt. 1997 war Sofri zu 22 Jahren verurteilt worden, weil er in den 70ern zu einem Mord an einem Polizeikommissar angestiftet haben soll. Ein dubioser Prozess, ein wackeliges Urteil. Der im Dezember 1997 eingereichte Antrag der Verteidigung auf Wiederaufnahme des Prozesses war zweimal von Appellationsgerichten abgeschmettert worden und dann vom Kassationsgerichtshof ein drittes Mal an die Staatsanwaltschaft Venedig weitergereicht worden. Ganz unabhängig davon, wie dieser neue Prozess um Sofri, den früheren Chef der linksradikalen Gruppe Lotta Continua, enden wird – die italienische Justiz hat mit dieser „unendlichen Geschichte“ juristischer Winkelzüge vor allem sich selbst verurteilt.

Der Ausgang des Prozesses dagegen wird sehr wesentlich für die Aufarbeitung jener „bleiernen Jahre“ in Italien sein. In dieser Hinsicht sind der „Fall Andreotti“ und der „Fall Sofri“ in engstem Zusammenhang zu sehen – als Prüfsteine nicht nur für das Funktionieren der Justiz, für ihre Rolle als unabhängige dritte Kraft, sondern auch für das historische Selbstverständnis des Landes.

Es ist noch gar nicht lange her, dass die Justiz weltweit als Retterin der italienischen Demokratie galt, dass mutige Staatsanwälte und Richter, die gegen Korruption, die Verbindung von Mafia und Politik und organisiertes Verbrechen vorgingen, wie Volkshelden gefeiert wurden. Und doch scheint dies inzwischen Lichtjahre entfernt zu sein.

Neben den merkwürdigen politischen Irrwegen des einstigen Stars von „mani pulite“, des Kreuzzuges gegen die Korruption, Antonio di Pietro, hat dazu vor allem der Freispruch im Prozess gegen die Symbolfigur für die düstersten Jahre der „Ersten Republik“, Giulio Andreotti, beigetragen. Im Fall Andreotti, in dem es um einen politischen Mord an einem missliebigen Journalisten ging, stützte sich die Anklage im Wesentlichen auf die Aussage eines Kronzeugen. Durch den Freispruch bleibt ein politischer Mord ungesühnt, bleiben Auftraggeber und Täter unbekannt. Auch im „Fall Sofri“ stützte sich die Anklage bisher nur auf die widersprüchlichen Aussagen eines einzigen Zeugen – auf der Anklagebank aber saßen und sitzen die politischen Gegner Andreottis. Andreotti frei, Sofri im Gefängnis – das wäre kein Ruhmesblatt für die italienische Justiz.

Friederike Hausmann

Die Autorin lebt als Publizistin in München