Schlagloch
: Wo is Papa?

■ Von Friedrich Küppersbusch

Für das Vater-Mutter-Kind-Spiel haben wir keine brauchbaren Vorbilder

„Junge, du sollst es einmal besser haben.“

Nämlich: Einzelzimmer in der Gefäßchirurgie statt Lazarettzelt an der Ostfront. Fuß ab, arm dran; schöner Sterben für das schrecklichere Leben, das sie hatten.

Die Nachkriegsmänner, die Hitlerjungen, die Flakhelfer kommen ins Alter. Wer damals nicht am Elend verreckte, verbrennt nun an den Spätfolgen des Wohllebens – Cholesterin statt Cholera, Herzinfarkt statt Tuberkulose, Raucherkrebs statt Staublunge.

Sie hinterlassen eines der reichsten Länder der Welt und – vermessen genug – den kategorischen Prosperativ: Zwischen „Du sollst nicht töten“ und „Du sollst kein falsch Zeugnis reden“ dräut drohend das höchste Gebot: „Junge, du sollst es einmal besser haben.“

Besser hätten sie es gehabt, hätten sie es schlechter haben dürfen. Aufstieg, Auto, Auslandsurlaub; im Kampf um den äußeren Wohlstand schufen sie eine Gesellschaft, die reich genug wurde, sich luxuriösen Betrachtungen hinzugeben: über ihre innere Armut, zum Beispiel. Über unterdrückte Mütter und abwesende Väter. Vater unser, der Du bist im Himmel, oder auf der Arbeit, was aus Sicht der Restfamilie so ein großer Unterschied nun auch wieder nicht sein musste.

Papa war stets der potente Hauptsponsor, alle anderen Aspekte der Vaterrolle schnurrten auf ein paar Stunden am Wochenende zusammen: Sie waren gevaterte Gevattern, drangekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Liebe, Wärme, Alltag, Windel voll und Teller leer.

Nein, das nicht auch noch! Da dreh ich durch nach dem langen Arbeitstag! Also: halt, mein Freund – wer wird denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur HB. Und – siehe oben.

Die Zeitschrift Erziehung heute fragt nach dem „Vater 2000“; die muntere Väterzeitschrift Paps stakst ungelenk, aber umsichtig und redlich in die geahnte Lücke; im Spiegel wird natürlich gleich polemisiert mit mächtig Schaum vorm Vatermund. Die männlichen Teilnehmer der Freizeitgesellschaft verbringen so viel freie Zeit in Gesellschaft, dass sich dies nicht mehr als Betriebsunfall jenseits des Rollenspektrums verkaufen lässt: Es vatert gehörig. Betreuungsdienst in der Krabbelgruppe, Kochen in der Kindertagesstätte, Väter auf den Elternabend, und also: Gelingt es, einen qualitativen Unterschied herzustellen zwischen, sagen wir, mal Blinddarm- und Väteraufbruch? Mag die Trümmerfrauengeneration Resonanz – oder auch gleich Mutterboden für Alice Schwarzer gewesen sein – es ist kein Alibert in Sicht. Nicht mal ein Alibibert.

Der feministischen Ikone Alice Schwarzer kann man die ganze Arbeit nicht mehr allein überlassen: ein Buch über Romy Schneider mag sich noch mal gut verkaufen – aufschlussreicher wäre eines über Schneiders Ex-Mann, der das gemeinsame Kind allein erzog, um der Frau die Karriere zu ermöglichen, und der sich am Ende kreuzunglücklich umbrachte. Noch mögen die Paschas nicht alle werden; aber für Söhne, deren Mütter schon Emma lasen, ist der Job als Ohrfeigenfresse tendenziell unterfordernd. Man kann den Fortschritt auch aufhalten, indem man sich weigert, sein Stattfinden zu erkennen.

Früher warnten Frauen vor Männerpolitik, die noch stets zum Kriege führe. Heute schafft die Quotenpartei den ersten Kampfeinsatz seit über 50 Jahren. Herr Radcke, Herr Röstel – wie konnten Sie Frau Fischer so unterdrücken? Dass Männer die Erziehung schwänzen: geschenkt. Liegt es also an den Müttern, wenn Jungs so gern Soldaten werden wollen? Oder sind für den Teil der Erziehung, der richtig schiefgeht, dann aber doch wieder die Väter zuständig?

Gerhard Schröder hat die vierte Frau und immer noch kein Kind. Ist er eine Antwort auf jene Vorväter, die vier Kinder notfalls auch ohne Frau hinbekamen – oder ist er eine Parodie? Wieso präsentiert der Spitzensympath Joschka Fischer einer gebannten Öffentlichkeit eher seine Turnunterhosen als seine Kinder aus zweiter Ehe, warum ist ausgerechnet der personifizierte Spinat Gregor Gysi allein erziehend?

Frauen stellen höhere Ansprüche, Männer wollen neuerdings sogar sich selbst genügen, und beide zusammen gucken rum und finden kein taugliches Vorbild, und jetzt alle: Wo ist Papa? Schon wieder: abwesend.

Ein Bekannter, er vaterte just um die gleiche Zeit wie ich, kochte den ersten bis letzten Sauger und Schnuller aus. Seine Frau hatte gar nicht erst stillen wollen und praktisch durchgearbeitet; er selbst dagegen wollte und konnte daheim beim Sohn bleiben.

Ohne Muttermilch sind die Blagen aber so was von immungeschwächt und anfällig, dass man eben alles sehr oberhygienisch halten muss. Schaudernd bestaunte ich ihn ob seiner klaglosen Vollvaterschaft, klammheimlich genoss ich, dass mein Sohn aber ordentlich gestillt wurde. Anschließend fing er an, sich auch für andere Leute zu interessieren, und machte mit „Papa! Papa!“ seine Mutter eifersüchtig.

Das Fazit: Der Kollege hat eine Schweinearbeit gehabt, und heute, acht Jahre später, ist mein Sohn einen Kopf größer als seiner. Den Teufel werde ich tun, das anzusprechen. Als gerechte Strafe traue ich mich auch nicht, ihn zu fragen, wie er der Forderung entging, als ordentliche Drohne nach Befruchtung der Königin gefälligst mausetot vom Baum zu fallen.

Der Vater war abwesend, die Mutter daheim und unterdrückt, so war es früher

Väter schweigen sich die Taschen voll, und nur so lässt sich einigermaßen sicherstellen, dass jeder auf seine ganz eigene Art nicht klarkommt. Bin ich eifersüchtig auf die Mutter, die stillen kann; auf den Sohn, der an die Möpse darf, oder auf den Opa, dem der ganze Käse scheißegal sein konnte?

Es gibt das Forum, die Tribüne, den Marktplatz für solche Themen so wenig wie die Vorbilder; es gibt wenig Gesprächskultur und noch weniger Reiz dazu. Wer als Härtefall unter den Weicheiern verspottet werden möchte, hebt den Finger und kommt in die Gruppe; der Rest macht weiter dann wie gehabt.

Die Natur gibt natürlich mal wieder gar nichts her: Mampft der Urbär den Neandertaler oder Zerkaut er die Chomagnon-Frau. Egal, die jeweils bessere Hälfte wird die Brut schon durchbekommen.

Als seine Mutter wieder zu arbeiten begann und unser Sohn zu sprechen, einigte er sich auf ein handliches „Mampap“ als Anrede für den jeweils amtierenden Versorgungsoffizier. Als sich seine Schwester ankündigte, griff er in Mutters Schrank, stolperte im Kleid die Treppe runter und trotzte: Na, wenn ihr unbedingt ein Mädchen wollt!

Mir schien das ganz schön kompliziert, dass der neunjährige Anakin Skywalker im aktuellen „Star Wars – Epsiode eins – Die dunkle Bedrohung“ ein herzensguter Junge ist, aber später der böse, böse Darth Vader werden wird. Der wiederum am Ende sich als Vater des dann wieder guten Luke Skywalker entpuppt und also eigentlich ein Jedi-Ritter ist. Na also. Mein Sohn meinte, die Bösen hätten tendenziell die geileren Waffen, das dullert so richtig, und meine Tochter, drei Jahre, hat gut zugehört, wenn der Bruder aus dem Kino kommt. Sie legt jetzt wert darauf, „Anakin“ zu heißen. Das klingt aus ihrem Mund wie Änneken; aber: „Ich bin ein Junge!“