Ein Ministerium vor Gericht

■ Ehemalige spanische Politiker sollen etliche Millionen Mark veruntreut haben

Berlin (taz) – Gegen zwei ehemalige spanische Innenminister aus der Zeit der sozialistischen Regierung unter Felipe González sowie gegen neun ihrer engsten Mitarbeiter wird seit Montagabend ermittelt. Sie sollen Millionen von Mark veruntreut haben, so der Vorwurf der Richterin Carmen Valcarce vom Provinzgericht in Madrid. José Barrionuevo, Innenminister von 1983 bis 1988, und sein Nachfolger José Luis Corcuera (1988 bis 1993) sollen mit insgesamt 200 Millionen Mark aus geheimen Fonds zur Terrorismusbekämpfung „einen parallelen Ministeriumshaushalt“ geführt haben.

Neben dem schmutzigen Krieg der so genannten Antiterroristischen Befreiungsgruppen (GAL), dem in den Jahren von Barrionuevo 28 Menschen aus dem Umfeld der baskischen Separatistengruppe ETA zum Opfer fielen, sollen sie aus diesen Reptilienfonds Extrazahlungen an Ministeriumsmitarbeiter sowie teuren Schmuck als Geschenk für die Gattinnen hoher Polizeioffiziere finanziert haben. Einige der Mitglieder der Führungsriege des Ministeriums haben sich, so der bisherige Stand, ganz einfach selbst bereichert.

So blickt der Schwiegervater des ehemaligen Staatssekretärs für Terrorismusbekämpfung Rafael Vera auf ein Privatvermögen von stolzen zehn Millionen Mark, die er mit seiner Eisenwarenhandlung verdient haben will. Jetzt wird er die Bücher offen legen müssen.

Luis Roldán, der ehemalige Zivilgouverneur im nordspanischen Navarra und spätere Chef der paramilitärischen Polizeitruppe Guardia Civil, wirtschaftete insgesamt 70 Millionen Mark in seine eigenen Taschen. Neben Kommissionen, die er für die Vergabe von Bauaufträgen in den Kasernen einstrich, soll er sich auch an den Fonds des Ministeriums gütlich getan haben.

„Das ist alles nur eine politische Kampagne der Regierung gegen die Sozialisten“, beschwert sich Ex-Minister Barrionuevo. Bekannte Töne. Bereits vor einem Jahr, als der Ex-Minister zusammen mit seiner rechten Hand Vera als Drahtzieher einer Entführung durch die GAL zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, versuchten beide sich als Opfer einer Verschwörung darzustellen. Sie wurden wenige Monate später von der Regierung Aznar begnadigt.

Sowohl auf Barrionuevo als auch auf Vera warten – wie auch auf andere, gegen die jetzt wegen Veruntreuung ermittelt wird – weitere Verfahren wegen der Mordkampagne der GAL. In den nächsten Wochen wird mit dem Urteil im Fall „Lasa und Zabala“ gerechnet. Ganz nach lateinamerikanischer Art ließ man die beiden Basken verschwinden. Gegen Ex-Staatssekretär Vera forderte die Anklage zwei Jahre Haft. Er soll die an der Operation beteiligten Polizeibeamten gedeckt haben.

Reiner Wandler