100.000 Jobs: Quotenziel verfehlt

■ Beim Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit sollten Mädchen die Hälfte der Förderung bekommen. Doch als das Geld ausgeschüttet wurde, hatte leider gerade die Baubranche Konjunktur. Mädchen gucken in die Röhre

Berlin (taz) – Im Gerangel um die begehrten Ausbildungsplätze ziehen Mädchen oft den Kürzeren. Jugendministerin Christine Bergmann (SPD) hatte daher kurzerhand beschlossen, das Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit, „100.000-Jobs-Programm“ genannt, zu quotieren: Die Hälfte der Maßnahmen sollte Mädchen zugute kommen.

Ein Blick in die Akten der Berufsberater zeigt: Quotenziel verfehlt. Zwar wird jede zweite Lehrstelle an ein Mädchen vermittelt. Doch bei den Maßnahmen, die sich an arbeitslose Jugendliche wenden, kommen junge Frauen schlecht weg: Nur 32 Prozent erhalten Lohnkostenzuschüsse, auch bei den Qualifizierungs-ABMs sind es lediglich 31,7 Prozent.

Als das Sofortprogramm im Frühjahr startete, liefen bei den Arbeitsämtern die Telefone heiß. Die Jobvermittler wurden von Nachfragen förmlich überrannt. Konjunktur hatten zu dieser Jahreszeit vor allem typische Männerdomänen wie der Bau. Branchen also, in denen Frauen nur schwer zu vermitteln sind. Doch die Berater waren froh, dass sie überhaupt Jugendliche unterbringen konnten. An eine Verteilung der Plätze nach Geschlechtern war da nicht zu denken.

Bereits im Juni hatten die Arbeitsämter den größten Batzen der Fördergelder verteilt. Das Nachsehen hatten die Mädchen. Und das, obwohl sie die besseren Schulabschlüsse in der Tasche haben: Nur 42 Prozent der Hauptschulabgängerinnen sind weiblich, aber 54 Prozent aller Abiturientinnen.

Doch viele Mädchen stellen sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz außerdem noch selbst ein Bein, weiß Bernhard Jenschke, Leiter der Berufsberatung im Berliner Landesarbeitsamt. „Junge Frauen denken oft in Stereotypen.“ Bürokauffrau, Arzthelferin, Friseurin – geht es um den Job, sind die traditionellen Rollenangebote für Mädchen begrenzt. Mehr als ein Drittel bewirbt sich dann auch auf die fünf klassischen Frauenberufe – trotz schlechter Erfolgsaussichten.

Ebenso haben viele junge Frauen eine gewisse Bequemlichkeit übernommen: Die Mädchen, sagt Berufsberater Jenschke, kleben an ihrem Wohnort und wollen am liebsten Teilzeit arbeiten. „Es mangelt vielen Bewerberinnen an Mobilität.“

Die Probleme sind seit langem bekannt – gleichwohl hat das Sofortprogramm sie nicht berücksichtigt. Zwar forderte die Regierungsvorlage ausdrücklich, „junge Frauen in zukunfts- und technikorientierte Ausbildungsberufe mit unterproportionalem Frauenanteil“ zu vermitteln. Doch im Sofortprogramm fehlen spezielle Maßnahmen für Mädchen. „Hier haben wir sicher einen Fehler gemacht“, räumt Jürgen Thiel ein, bei der Bundesanstalt für Arbeit für das Regierungsprojekt zuständig.

Die Logik des 100.000-Jobs-Programms war eine andere: Möglichst wenig Bürokratie, stattdessen größere Spielräume für die Jobvermittler vor Ort. Bisher verteilte die Bundesanstalt die Gelder direkt an die einzelnen Arbeitsämter, diese konnten selbst über die Vergabe der Mittel entscheiden.

„Im nächsten Jahr werden wir restriktiver vorgehen“, sagt Jürgen Thiel. Seine Forderung: Fördergelder für Mädchen zu reservieren. Zudem sollen die Frauenreferate, die es seit Anfang vergangenen Jahres in allen Arbeitsämtern gibt, bei einer Neuauflage des Sofortprogramms stärker mitreden.

Thiel setzt auf die Boom-Branche Dienstleistungen. „Fachinformatikerin oder Systemelektronikerin sind ganz neue Berufsfelder, in denen Frauen gute Chancen haben.“ Wie in Berlin bieten immer mehr Arbeitsämter Computerschulungen an, um die Mädchen für die Jobs der Zukunft fit zu machen.

Eine strikte Frauenquote lehnt Thiel ab. Denn das Sofortprogramm hat vor allem eines gezeigt: Wichtiger als Geld und Förderpläne ist ein Umdenken der Mädchen selbst. „Das größte Problem ist immer noch die Sozialisation“, sagt Berhard Jenschke vom Berliner Landesarbeitsamt. „Die Mädchen müssten schon in der Schule ein anderes Rollenverhalten lernen.“

Nicole Maschler