Konflikte mit der SPD riskieren“

■  Der Realo Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Baden-Württemberg, will die Erbschaftssteuer erhöhen und Kapitalerträge besteuern. Der Hoffnungsträger der Partei über grüne Realitäten, rote Symbolik und begrenzte Konflikte

taz: In Zukunft sollen auch Abgeordnete Ämter in der grünen Partei übernehmen dürfen – so hat es der Länderrat Ihrer Partei am Wochenende beschlossen. Sind Sie erleichtert?

Fritz Kuhn: Ich glaube, die Sache ist auf dem richtigen Gleis. Wiewohl letztendlich der Parteitag darüber entscheiden wird. Die Trennung von Amt und Mandat hat die Partei nicht gegenüber den Fraktionen gestärkt, so wie wir uns das mal erhofft hatten. Deshalb wäre es klüger, die Trennung aufzuheben und so die Auswahl für unsere Spitzenämter zu vergrößern. Die Professionalisierung der Parteispitze ist wichtig, weil sie hilft, das inhaltliche Profil zu schärfen.

Müsste die Doppelspitze nicht auch abgeschafft werden?

Ich war immer skeptisch gegenüber der Doppelspitze. Aber ich stelle fest, dass sie schon wegen der Frauenquote bleiben wird.

Sie werden als einer der beiden künftigen Vorsitzenden gehandelt. Hätten Sie Lust auf den Job?

Dazu will ich mich nicht äußern.

Ist es machbar, zugleich Fraktionsvorsitzender im Landtag und Parteivorsitzender zu sein?

Ich glaube schon.

Warum hagelt es von allen Seiten Kritik an den beiden amtierenden Sprecherinnen?

Es ist falsch, jetzt alles bei den Parteisprecherinnen abzuladen. Wir haben ein politisches Führungsproblem, nicht nur beim Parteivorstand, sondern auch auf der Seite der Regierungsmitglieder und der Fraktion. Die drei Ebenen kooperieren zu wenig. Es werden keine Schwerpunkte und Strategien bestimmt, die dann auch durchgehalten werden. Das macht unser Profil auch für die Parteibasis unklar.

Welches sind die Gründe für das schlechte Abschneiden der Bündnisgrünen bei den vergangenen Wahlen?

Das chaotische Bild, das die rot-grüne Bundesregierung in den vergangenen Monaten geboten hat, hat viele Menschen verunsichert. Das Grüne an Rot-Grün ist zu wenig deutlich. Der Atomausstieg ist nicht so vorangegangen, wie wir es uns wünschen würden. Das schadet im Wahljahr 99.

Sind Sie für eine Vermögensabgabe oder für eine Vermögenssteuer?

Beides ist der falsche Weg. Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken dagegen. Die Vermögenssteuer wäre erst dann machbar, wenn der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer deutlich unter 48,5 Prozent sinkt. Außerdem wäre die Erhebung so teuer, dass dabei nicht viel rüberkäme. Und: Die Bundesländer werden nicht mitspielen. Es macht keinen Sinn, hier nur auf symbolische Politik zu setzen, wie es Teile der SPD tun. In Gerechtigkeitsfragen zählt das Ergebnis, nicht die Symbolik.

Wie könnte das Steuersystem insgesamt gerechter werden?

Bei der Einkommenssteuer müssten viele Ausnahmeregelungen gestrichen werden. Dann müssen wir die Erbschaftssteuer erhöhen und Wege finden, Zins- und Kapitalerträge gerechter zu besteuern. Unsere Auffassung von Gerechtigkeit unterscheidet sich im Übrigen sehr von der der SPD-Linken und der PDS. Wir denken die Zukunft des Sozialstaates mit.

Sind Sie für die Rente ab 60?

Nein. Das ist kein Vorschlag zur Generationengerechtigkeit, sondern es belastet die Jungen. Von Herrn Riester erwarte ich ein Gesamtkonzept, wie die Renten auch im Jahr 2030 gesichert werden können. Das dauernde Hü und Hott hilft da nicht weiter.

Die Bundestagsfraktion will jetzt den „begrenzten Konflikt“ mit der SPD wagen ...

Klar, wir müssen kämpfen. Die ökologische Modernisierung ist noch nicht Programm der Regierung. Die Ökosteuerreform wird durch Ausnahmen für die Wirtschaft aufgeweicht. Investitionen für Sonne, Wasser und Wind müssen sich lohnen. Die Kraft-Wärme-Kopplung muss durch eine Quote geschützt werden. Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Atomkraft. Da müssen wir Konflikte mit der SPD riskieren.

Wie können die Grünen wieder mehr WählerInnen gewinnen?

Wir sollten uns auf drei Bereiche konzentrieren: Erstens: Ökologie und Wirtschaft nach dem Motto: Man kann mit grünen Ideen auch schwarze Zahlen schreiben und Arbeitsplätze schaffen. Zweitens: soziale Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme. Drittens: die Grünen als Partei der gesellschaftlichen Erneuerung, mit Themen wie Bürgerrechte, Gleichstellung der Geschlechter und Asylrechte.

In Baden-Württemberg gibt es kommunale schwarz-grüne Bündnisse. Wäre das ein Modell für Landes- oder Bundesebene?

In den Gemeinderäten haben wir in Baden-Würtemberg wechselnde Mehrheiten. Grüne und CDU stimmen hier auch immer mal gemeinsam. Wenn die Schwarzen bei was Vernünftigem mitmachen, ist das wunderbar. Auf Bundesebene sehe ich Schwarz-Grün nicht. Die Voraussetzung wäre, dass sich die CDU personell und inhaltlich modernisiert. Zur Zeit macht sie im Bund Fundamentalopposition. Auch auf Landesebene sehe ich im Moment keine Möglichkeit mit der CDU zusammenzuarbeiten.

Mit welchen Ergebnissen rechnen Sie bei der anstehenden Kommunalwahl in Baden-Württemberg?

Ich bin da ganz zuversichtlich. Auch in Hinblick auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NRW sage ich: Wir müssen jetzt endlich mit dem dauernden Krisengerede aufhören und wieder Schwung und Optimismus bekommen. Dann werden wir auch erfolgreich sein.

Interview: Tina Stadlmayer