Der Bund ist an der Teilung der Hauptstadt schuld

■ Lex Berlin: Lohngleichheit kann das Land Berlin nur für seine Angestellten beschließen. Die Beamten hingegen dürfen nur bundeseinheitlich gleichberechtigt werden – irgendwann

In Berlin ist es egal, ob eine Krankenschwester in Charlottenburg oder im Ostbezirk Friedrichshain arbeitet

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer werden in Ost- und Westdeutschland immer noch unterschiedliche Tarife gezahlt. Nur die Angestellten und Arbeiter des Landes Berlin bekommen in allen Teilen der Stadt gleichen Lohn für gleiche Arbeit. 1994 schaffte die Metropole zwischen West und Ost eine Lex Berlin. Bislang als einziges Bundesland. In Berlin ist es egal, ob man als Krankenschwester beim Bezirkskrankenhaus im bürgerlichen Charlottenburg arbeitet oder im sozial schwachen Ostbezirk Friedrichshain. Auch die Müllmänner der Berliner Stadtreinigung (BSR) müssen sich nicht darum kümmern, ob sie im Osten wohnen und im Westen den Ku'damm säubern.

Anders geht es allerdings den Landesbeamten Berlins. Je nachdem, ob sie aus dem Westteil der Stadt kommen oder aus dem Osten, verdienen sie 86,5 Prozent. Beamtenrecht ist Bundesrecht und wird in Deutschland einheitlich geregelt. Eine Lex Berlin konnte für die Beamten nicht erlassen werden. Unter anderem sind davon Berufsgruppen wie Polizisten und Feuerwehrmänner betroffen.

Mit dem Schicksal hadern aber auch die aus dem Osten stammenden Beamten und Angestellten des Bundes, die nun in Berlin ihren Dienst tun. Für sie gilt der Grundsatz des gleichen Lohns ebenfalls nicht. Wer aus dem Osten kommt, verdient als Bundesbeamter in der Regel ebenfalls 13,5 Prozent brutto weniger als der Westkollege.

Bisweilen zieht sich die Tarifgrenze mitten durch das Arbeitszimmer. Ein Beispiel: Stammt ein Angestellter oder Bundesbeamter aus den neuen Bundesländern oder Ostberlin, und sein Arbeistsplatz befindet sich im Ostteil der Stadt, verdient er weniger als der Kollege, der aus den alten Bundesländern oder Westberlin kommt und wenigstens ein Jahr beim Bund einen Arbeitsplatz im Westen hatte. Dazu kommt: Der Oststämmige muss wöchentlich eineinhalb Stunden mehr arbeiten. Hat der Kollege aus Ostberlin hingegen das Glück, im Innenministerium im westlichen Moabit zu arbeiten, bekommt er auch als Ostdeutscher hundert Prozent Gehalt.

Am augenfälligsten ist der Unterschied beim Bundesjustizministerium. Seinen Hauptsitz hat das Ministerium im früheren Ostberlin in Mitte, eine Dependance im Westberliner Stadtteil Kreuzberg. Auch beim selben Arbeitgeber werden die Angestellten je nach Standort unterschiedlich bezahlt: Der Ostberliner Regierungsrat, der am Hauptsitz in Mitte arbeitet, bekommt rund 800 Mark brutto und etwa 400 Mark netto weniger als der in Kreuzberg.

In der privaten Wirtschaft wird die Lohnangleichung zwischen unterschiedlich gehandhabt. 100 Prozent gleichen Lohn in Ost und West zahlen rund ein Dutzend Branchen. Annette Rollmann