Nicht nur Beton hinstellen

■ Jens Eckhoffs Sparforderungen an das Theater könnten zu einem Bumerang werden: Kulturleute und –politiker fangen an, das Sanierungsprogramm infrage zu stellen

Die Politik hat gesehen, dass es keinen Sinn macht, nur Beton hinzustellen, wenn nicht das Personal finanziert werden kann, das in den Gebäuden lehren und forschen soll.“ Mit diesem Satz kommentierte der Staatsrat für Bildung und Wissenschaft, Rainer Köttgen, genau vor einem Jahr einen Sonderfall in der bremischen Sanierungsdialektik aus einer Zweiteilung in Investieren und Sparen, in konsumtive und investive Bereiche. Denn beim Ausbau der Universität werden die sonst als konsumtiv geltenden Ausgaben für Personal mit in die Investition eingerechnet. „Das hat der Köttgen gut hingekriegt“, musste kürzlich auch die neue Staatsrätin im Kulturressort, Elisabeth Motschmann (CDU), anerkennen. Doch wo Anerkennung und auch ein bisschen Neid sind, da entstehen bald auch Forderungen.

Gestern, Bremer Theater, die Angegriffenen schlagen zurück. Wenn der CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff, der auch an das Theater Sparforderungen stellt (vgl. Seite 21 und taz vom 18.10.) da gewesen wäre, hätte er etwas zu hören gekriegt. Die Bezeichnungen „Auf Krawall gebürsteter Banause“, „Jemand auf der Formel-1-Strecke ohne Go-Cart-Führerschein“ und „Exekutierer des erfolgreichen und trotzdem sparsamen Bremer Theaters und mittelfristig der gesamten Bremer Kulturszene“ ließen Theaterleute und Theaterfreunde auf ihn niedergehen. Eine unglaubliche Missachtung der Arbeit des Theaters und seiner MitarbeiterInnen seien seine Angriffe. Und zum genauso großen Ärger des Intendanten Klaus Pierwoß gibt es kein richtiges Contra: „Ich vermag die Gegenkräfte, die Eckhoff öffentlichkeitswirk-sam stoppen, nicht zu entdecken.“

So weit so schlecht. Denn es ist alles schon mal da gewesen. Mehrfach. „Wir dachten, wir haben schon ein ganz anderes Niveau erreicht“, seufzte die „Anstoß“-Aktivistin Katrin Rabus. Doch wer – wie „Anstoß“ und die gesamte Kulturszene – alle Jahre wieder den selben Brei vorgesetzt bekommt, patscht eines Tages öffentlichkeits-wirksam mit dem Löffel in die Schüssel. Die Vorbereitungen dazu laufen, und sie zielen auf das Kernstück der Bremer Politik selbst: Jene Dialektik aus Investieren und Sparen, bei der die Meisten – und darunter auch die von der Kultur – meinen, auf der „falschen“ Seite zu stehen.

„Die Frage ist, ob der Investitionsbegriff heute noch richtig ist“, sagt die Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz, vorsichtig, aber dafür mit dem Segen der SPD-Fraktion. Sie nickt laut, als Ex-Bildungssenator Horst von Hassel (SPD) deutlicher wird: „Dieser enge ökonomistische Investitionsbegriff trägt nicht.“ Es breite sich in beiden Regierungsfraktionen die Meinung aus, dass das, was am Ende des Sanierungszeitraums herauskommt, „vor den Bürgern nicht vertreten werden kann“. Mit anderen Worten: Was bleibt von Bremen noch übrig, wenn bis 2004 rund 800 Millionen Mark aus dem konsumtiven Bereich eingespart werden und das Investitionsprogramm zugleich unangetastet bleibt? Von Hassel: „Nach fünf Jahren Sparen und gewaltiger Ausgaben haben die Bürger Anspruch auf eine Zwischenbilanz.“

So reden die Leute von „Anstoß“, die es in den letzten Jahren geschafft haben, ein kaum noch berechenbares und in alle politischen Milieus hineinreichendes Netz von Verbindungen zu knüpfen. Zurzeit vertreten sie vor allem die Interessen von Kultureinrichtungen. Nach der neuen Kooperation mit der Handelskammer ist jetzt eine „Fraternisierung“ mit der bremischen Wissenschaft geplant. Ohnehin dürfte es schwer sein für die erstmals für die Kultur verantwortliche CDU, als Abwickler in die Geschichte einzugehen. Das Netzwerk namens „Anstoß“ könnte darüber hinaus auch Stimmen kosten.

Wie geht es weiter? Durch irgendwelche Rechnereien wird das Loch im Kulturetat, das schon im Jahr 2000 mit einer Zahl zwischen sieben und elf Millionen Mark angegeben wird, teilweise gestopft. Und das Investitionsmodell, das der „Köttgen so gut hingekriegt hat“, wird auf die eine oder andere Kultureinrichtung übertragen. Die rege „Kulturlobby“ wenigstens könnte sich damit befrieden lassen. Noch. Christoph Köster