Obersalzberg wird Museum

■ Gestern eröffnete der Freistaat Bayern in Hitlers ehemaliger Alpenfestung ein Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte

Berlin (taz) – Die Alpenfestung in der Idylle der Berchtesgadener Berge war einst ein Macht- und Entscheidungszentrum der Nazi-Größen. Gestern eröffnete Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser auf dem Obersalzberg ein Dokumentationszentrum zur NS-Geschichte. Mit dem vier Millionen Mark teuren Museumsbau, den das Münchener Institut für Zeitgeschichte begleitet hat, ist nach jahrelangem Streit nun erstmals das gesamte Gelände der Öffentlichkeit zugänglich.

Bereits 1925 hatte Hitler hier den zweiten Teil von Mein Kampf geschrieben. Ab 1933 ließ er das 100 Hektar große Gelände nach und nach zu einer Anlage mit Gästehäusern, SS-Kasernen und einem vier Kilometer langen Bunkersystem ausbauen. Die Besitzer ließ er enteignen. Neben dem „Führer“ schlugen auch andere Nazi-Größen wie Hermann Göring und Martin Bormann dort ihr Feriendomizil auf.

Mit Schautafeln und Filmen zeichnet die Ausstellung die gesamte Geschichte des NS-Regimes nach. Die Dokumentation rückt die Verbrechen an den Juden ebenso in den Blick wie die Propaganda der Nazis. Dabei haben die Ausstellungsmacher auch das damalige Bunkersystem einbezogen.

Die meisten Gebäude auf dem Obersalzberg haben die Amerikaner kurz vor Kriegsende zerstört. Nach 1945 fiel der Grundbesitz an den Freistaat Bayern, der ihn den US-Streitkräften überließ. Die amerikanische Regierung ließ das Gelände zur Erholungsanlage für Soldaten und ihre Familien umbauen, mit Hotelanlagen, Golfplatz und Skigebiet.

Nachdem der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) einen 30-Millionen-Mark-Zuschuss zur Sanierung der Gebäude abgelehnt hatte, schlossen die Amerikaner ihre Einrichtungen. Wieder musste sich der Freistaat Bayern mit der historischen Altlast herumschlagen.

Nach dem Rückzug der Amerikaner stritten CSU-Politiker und Bürgerinitiativen um die Nutzung des Geländes. Die bayrische Landesregierung hatte ein Dokumentationszentrum zunächst abgelehnt – aus Furcht, dort könne eine Wallfahrtsstätte für Neonazis entstehen. Tatsächlich ist der Obersalzberg als Ausflugsziel sehr beliebt. Von der mächtigen Anlage waren bisher jedoch nur zwei Gebäude öffentlich zugänglich: eine Gaststätte in Hitlers ehemaligem Teehaus und das Hotel „Türken“.

An der Eröffnung des Museumsbaus, dem die Landesregierung im Oktober 1997 schließlich doch zustimmte, nahmen gestern auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, und diplomatische Vertreter aus den USA, Frankreich und der Russischen Föderation teil.

Auf „übertriebene Symbolik“ haben die Ausstellungsmacher bewusst verzichtet. Vielleicht gab die bayrische Landesregierung deshalb auch grünes Licht für einen Hotelneubau auf dem historisch belasteten Gelände.

Nicole Maschler