Panik als Westphänomen

■ Kommunal arbeiten CDU und PDS prima zusammen. Man hat ja gemeinsame Wurzeln

Dresden (taz) – In Rübeland ist alles anders. Rote Socken gibt es im kleinen westanhaltinischen Örtchen nicht. Die SPD stellt den Bürgermeister. PDS und CDU bilden eine gemeinsame Fraktion. Rainer Zühlke, PDS-Regionalgeschäftsführer, betont, dass es die CDU war, „die auf uns zugekommen ist“. Der Bitte habe man „sehr gern entsprochen“.

In Rübeland ist alles anders? PDS-Stadträtin Maria Gangles vertritt im westsächsischen Böhlen gerade den CDU-Bürgermeister. In Strausberg bei Berlin oder in Königshütte, einer kleinen Harzgemeinde, setzte die CDU die PDS-Kandidaten für das stellvertretende Bürgermeisteramt durch. Andererseits verhalfen die Sozialisten in den Brandenburger Landkreisen Prignitz und Uckermark den CDU-Landräten zur Mehrheit. Um nur einige Beispiele zu nennen – Zusammenarbeit von CDU und PDS auf lokaler Ebene ist längst keine Ausnahme mehr.

„Die typische Westpanik“, witzelt Matthias Gärtner, PDS-Fraktionsvize in Sachsen-Anhalt, über die Aufgeregtheit, mit der die Christdemokraten derzeit über ihr Verhältnis zur PDS debattieren. „Den Leuten hier im Osten sind doch die Gemeinsamkeiten klar.“ Beide Parteien, so Gärtner, seien mental und strukturell tief vor Ort verankert. Beide seien Nachfolgeparteien von einstigen DDR-Systemträgern. Der Unterschied sei praktisch nur, dass eine Partei nach der Wende ihren Namen änderte.

Im sächsischen Kamenz hat die CDU gerade eine städtische Entwicklungskonzeption der PDS unterstützt. Oder, überlegt PDS-Stadträtin Regina Schulz, war das andersrum? „Na, spielt ja keine Rolle! Die Zusammenarbeit klappt bei uns prima.“ Parteiränke gebe es nicht, man schaue vielmehr, was gut für die Bürger ist.

Stadträtin Schulz sitzt gleichzeitig in der PDS-Landtagsfraktion, „wo es natürlich ganz anders zugeht“. Wer in Kamenz als Partner zusammenarbeite, bekämpfe sich im Landesparlament strikt. Woran das liegt? „Wahrscheinlich sind die Probleme vor Ort konkreter“, probiert Regina Schulz als Antwort. „Im Landtag nehmen wir doch oft die Auswirkungen unserer Beschlüsse gar nicht wahr.“ Offenbar sei dort das „aufeinander Eindreschen“ wichtiger.

„Funktionierende Zusammenarbeit ist personenabhängig“, sagt Günter Schneider, PDS-Regionalchef in Sachsen-Anhalts Süden. Der Beleg für seine These liegt vor der eigenen Haustür: Während in der ehemaligen Kreisstadt Hohenmölsen PDS und CDU „sehr konstruktiv zusammenarbeiten“, gräbt man in der heutigen Kreisstadt Weißenfels neue Gräben.

In Hohenmölsen regiert ein CDU-Bürgermeister, der früher selbst SED-Mitglied gewesen ist. „Logisch, dass so einer nicht das Rote-Socken-Plakat hängen lässt“, sagt Schneider. Viele in der CDU hätten offenbar gemerkt, dass das blindwütige Eindreschen auf 40 Jahre SED, MfS, DDR überhaupt nichts bringt. Schneider: „Das hat uns eher stark gemacht.“ Nick Reimer