Ein Strategiewechsel, der keiner sein soll

Seitdem Angela Merkel verstanden hat und eine inhaltliche Auseinandersetzung ihrer Partei mit der PDS anmahnt, hat die CDU ein Problem. Sie hat keine Strategie und will von Strategie auch gar nicht sprechen  ■   Von Karin Nink

Berlin (taz) – Die Generalsekretärin der CDU hat eine Lawine losgetreten. Seit Angela Merkel sich in einem Interview für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der PDS ausgesprochen hat, ist in der CDU die Debatte um den Umgang mit den Linkssozialisten neu entbrannt.

Sorgfältig geplant, so scheint es, hat Merkel gegenüber der Magdeburger Volksstimme gesagt: „Wir dürfen die PDS nicht ausschließlich über ihre Vergangenheit definieren, sondern müssen uns mit ihren heutigen politischen Forderungen auseinandersetzen.“ In der CDU-Spitze scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass den Postkommunisten mit einer reinen Ausgrenzungspolitik nicht beizukommen ist.

Die ostdeutsche Generalsekretärin bekommt eindeutige Rükkendeckung von führenden CDU-Politikern. Allen voran Parteichef Schäuble. Er spricht sich ebenfalls für eine verstärkte inhaltliche Auseinandersetzung mit den Postkommunisten aus, weil die Bürger allein mit dem Hinweis auf die Vergangenheit der PDS nicht erreicht werden könnten. Gleichzeitig betonte Schäuble aber, dass dies kein Strategiewechsel sei.

Ähnlich äußerte sich der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke gegenüber der taz. Er teilt die Haltung von Merkel, doch sei die Richtung nicht neu: „Es gibt keine Kurskorrektur, sondern höchstens eine Schwerpunktverlagerung.“ „Wir müssen die Realitäten im Osten anerkennen und uns mit den Gegnern auseinandersetzen, die nach den Wahlen noch da sind.“ Und die SPD sei nun mal ausgefallen. „Wenn wir uns inhaltlich mit der PDS auseinandersetzen, bekommen die deswegen ja noch keinen demokratischen Ritterschlag.“ Nooke warnte aber, dass „bei aller Zustimmung für die inhaltliche Auseinandersetzung mit der PDS es nicht so verstanden werden darf, dass Ostnostalgiker wie Diestel und de Mazière recht bekommen.“

In der Tat wird in der CDU die Frage nach dem Umgang mit der PDS seit Jahren immer wieder diskutiert. Spätestens seit der Glanz des großen Einheitskanzlers Kohl verblasste, weil er mehr versprochen hatte, als er halten konnte, mussten sich die Christdemokraten im Osten Gedanken darüber machen, wie sie der PDS, die der Lebenswelt der Ostdeutschen am nächsten ist, entgegentreten können. Im Westen war man sich dieses Problems lange nicht bewusst.

Anfang 1996 machte der bis dahin relativ unbekannte Chef der CDU-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg, mit seinem Strategiepapier „CDU 2000“ einen ersten Versuch. – Und bezog für das Papier, in dem er seinem Unmut gegenüber der Bonner Parteispitze Luft machte und eine neue Wertedebatte innerhalb der Union forderte, viel Prügel. Wenige Tage später ging der damalige Sprecher der CDU-Abgeordneten aus den östlichen Ländern, Paul Krüger, mit seinen „14 Thesen zum Ost-Profil der CDU“ an die Öffentlichkeit und forderte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der PDS. Im Bonner Konrad-Adenauer-Haus aber hielt man unbeirrt an der „Rote-Socken“-Strategie des damaligen Generalsekretärs Peter Hintze fest. Ost-CDUler wiederrum sahen die Stimmen für die Union schwinden, wenn es der Partei nicht gelinge, ins Wählerreservoir der PDS einzudringen.

Nach den Stimmenverlusten bei der Bundestagswahl kamen erste Signale aus dem Westen, die Strategie der massiven Abgrenzung aufzubrechen, unter anderem von Schäuble und dem heutigen Innenminister von Brandenburg, Schönbohm.

In der Ost-CDU ist man sich über den Umgang mit der PDS bis heute nicht einig. Während im Westen außer der CSU nur noch der ehemalige Generalsekretär Peter Hintze für die Fortsetzung der „Rote-Socken“-Strategie plädiert, mahnen die ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerinnen Vera Lengsfeld und Angelika Barbe auch in der aktuellen Debatte einen „deutlichen Abgrenzungskurs“ zur PDS an.