Machte ein Medikament sie krank?

■  Ein Mittel, das US-Soldaten vor irakischem Giftgas schützen sollte, könnte für das Golfkriegssyndrom verantwortlich sein, an dem 100.000 Veteranen seit Jahren leiden

Washington (dpa/taz) – Ein experimentelles Medikament, das US-Soldaten vor möglichen Giftgas-Attacken des Irak schützen sollte, könnte die Ursache des mysteriösen Golfkrieg-Syndroms sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Pentagon in Auftrag gegebene Studie, die am Dienstag in Washington veröffentlicht wurde.

Das Mittel Pyridostigminbromid (P.B.) war an mindestens 250.000 bis 300.000 US-Soldaten verteilt worden, die 1990 und 1991 im Golfkrieg gedient hatten. Mehr als 100.000 Soldaten klagten seither über zum Teil schwere gesundheitliche Probleme, die unter dem Sammelbegriff Golfkriegssyndrom bekannt wurden: lähmende Müdigkeit, Muskelschmerzen, Gedächtnisstörungen und erhebliche Schlafprobleme. Eine eindeutige Erklärung für diese Symptome wurde trotz intensiver Bemühungen und Forschungsausgaben von 133 Millionen Dollar bislang nicht gefunden.

Das Medikament sollte die Soldaten vor dem Einsatz des Giftgases Soman schützen, das die Sowjetunion entwickelt hatte. Im Gegensatz zu diversen anderen toxischen Kampfstoffen befand sich Soman allerdings nicht im chemischen Arsenal des Irak. Unscom, die UN-Mission, die die Kriegswaffen des Landes nach Saddams Niederlage aufspüren und zerstören sollte, fand zwar hunderte Tonnen Giftgas wie Sarin oder VX, aber kein Soman. P.B. wird seit 1955 gegen eine seltene Nervenkrankheit verschrieben, ist aber nie klinisch als Mittel gegen Soman getestet worden.

Der jetzt vorliegende umfangreiche Bericht der Rand Corporation kommt zu der Erkenntnis, dass P.B. Nebenwirkungen hervorrufen kann, die den Symptomen der Golfkriegs-Veteranen gleichen. P.B. kann nervenschädigend sein, wenn es mit anderen Arzneimitteln „gemischt“ wird. Nebenwirkungen des Mittels hingen von Faktoren wie Stress, körperlicher Verfassung und gleichzeitigem Kontakt mit anderen chemischen Substanzen wie Pestiziden, Nikotin und Koffein ab.

Das Pentagon hatte jahrelang abgestritten, dass äußere Umstände zu dem Leiden seiner Soldaten beigetragen haben könnten. Es schloss inzwischen Kriegstraumata ebenso aus wie Nebenwirkungen der Rauchschwaden der brennenden Ölfelder oder Strahlung des in US-Bomben verwendeten abgereicherten Urans.

Die Studie der Ärztin Beatrice Alexandra Golomb gilt deshalb als Durchbruch bei der langen Suche nach dem Grund für das Golfkriegssyndrom. sf