Leopard II überrollt alle Bedenken

Der Bundessicherheitsrat beschloss, der Türkei einen Panzer zur Ansicht zu schicken – aller Kritik wegen der dortigen Menschenrechtssituation zum Trotz  ■   Von Patrik Schwarz

So muss jemand klingen, der sich mit einem Bein im Gefängnis wähnt. Dabei war die Frage an den Sprecher eines der Bundesministerien harmlos genug. Ob denn sein Minister an der Beratung des Bundessicherheitsrates zur Panzer-Lieferung an die Türkei teilgenommen hat? Nein, das könne er nun wirklich nicht preisgeben, erwidert der Beamte mit furchtsamem Ton, denn alles, was das Gremium betreffe, sei doch streng geheim. Selten wird in der deutschen Politik auch nur der Anschein der Geheimhaltung gewahrt. So gut wie nie bemühten sich fast alle Beteiligten so sehr darum wie gestern beim Thema Rüstungsexport.

Die Mischung aus Geld, Waffen und Moral machte die Sitzung des Bundessicherheitsrates politisch brisant. Als schließlich der Bundeskanzler und seine wichtigsten Minister mehrheitlich dem Export eines Leopard II als Ansichtsexemplar zustimmten, entschieden sie zugleich einen Richtungsstreit im Umgang mit der Türkei: Die Grünen und einige linke Sozialdemokraten sind dabei unterlegen. In der Regierung haben sich mit Kanzler Gerhard Schröder, Verteidigungsminister Rudolf Scharping (beide SPD) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) die Kräfte durchgesetzt, die Waffenexporte als Teil einer engeren Einbindung der Türkei in Europa sehen.

„Wir können uns nicht in Widersprüche verwickeln“, beschreibt eine Quelle diese Position. Deutschland betreibe unter Rot-Grün die Aufnahme der Türkei in der EU, da könne man nicht gleichzeitig im Bereich der Wehrtechnik auf Ausgrenzung setzen. Außerdem sei die Türkei Nato-Partner. „Da können wir nicht, wie wir lustig sind, nein sagen.“

Die Türkei plant mittelfristig bis zu 14 Milliarden Mark für die Anschaffung von tausend Panzern auszugeben. Mit dem gestrigen Beschluss des Bundessicherheitsrates darf sich der deutsche Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann mit einem „Panzer zur Probe“ an der Ausschreibung der Türkei beteiligen. Über die endgültige Lieferung der tausend Leopard II will der Sicherheitsrat erst 2001 entscheiden. Damit hofft das Schröder-Lager, Kritik vor allem der Grünen abzufedern. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hatten trotzdem jegliches Entgegenkommen gegenüber der Türkei abgelehnt. In ihren Augen steht die Waffenhilfe im Widerspruch zur fragwürdigen Menschenrechtssituation in der Türkei.

Beide Politiker blieben angeblich auch in der gestrigen Sitzung bei ihrer Ablehnung. Dabei fehlte es offenbar nicht an Versuchen, ihnen die Entscheidung als salomonischen Kompromiss schmackhaft zu machen. Wichtigstes Zugeständnis: Die von der Türkei gewünschte Lieferung von Einzelteilen für Haubitzen im Wert von 250 Millionen Mark wurde untersagt – gegen den Willen des Wirtschafts- und Verteidigungsministers. Damit, so eine zuverlässige Quelle zur taz, sei noch mal deutlich gemacht worden, dass die Regierung keinen Freibrief für Waffen ausstellen wolle, die etwa im Kurdenkonflikt unmittelbar einsetzbar wären. Bei den Panzern sei eine Bestellung jedoch frühestens 2001, nach der Erprobung, zu erwarten. Bis dahin könne sich die Menschenrechtssituation in der Türkei allemal ändern. „Außerdem wissen wir gar nicht, ob die dann das Geld dafür haben.“