Viel besser als ein Kreuzworträtsel“

■ Im Senior-Info-Mobil können alte Menschen chatten und elektronische Post verschicken. Viele SeniorInnen haben noch starke Berührungsängste mit dem Internet und E-Mails

Das ist ja ein Ding“ – die alte Dame ist verblüfft, als sie mit einem Mausklick die erste E-Mail ihres Lebens ins World Wide Web befördert – aus einem Reisebus heraus. Das „Senior-Info-Mobil“ macht seit einigen Station am Wittenberplatz. In dem Doppelstöcker können Rentner und Pensionäre rasante Fahrten auf dem Datenhighway wagen. Viele sitzen zum ersten Mal vor einem Computer. Die elektronische Post der 73-Jährigen ging an ihren Sohn. Seine Homepage hat sie mit Hilfe von Bernd Hahn, einem der Helfer, ausfindig gemacht.

Neben ihr sitzt ein alter Mann mit leuchtenden Augen vor seinem bunten Bildschirm: „Noch verstehe ich nur Bahnhof – aber Internet ist besser als Kreuzworträtsel.“ Der 68-jährige Bernauer möchte sich geistig fit halten.

Der zum Multi-Media-Zentrum umgebaute Reisebus ist proppevoll. Vier bis fünf Leute umlagern jeden der sechs Computer-Arbeitsplätze. Das Senior-Info-Mobil, eine Kampagne des Vereins „Seniorinnen und Senioren in der Wissensgesellschaft“ mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums, ist das ganze Jahr durch Deutschland getourt. Noch bis morgen können Senioren und Seniorinnen am Wittenbergplatz vor dem KaDeWe chatten und mailen.

Markus Marquardt von der Technischen Uni Ulm und einer der Helfer, die hier „Lektoren“ genannt werden, sieht im Internet die Zukunft. Er will, dass „die Alten hier nicht abgehängt werden“. Marquardt, 35 Jahre alt, ist einer der wenigen jungen Lektoren. Die anderen sind mindestens 40 Jahre älter. „Wir wollten einen Info-Bus von Senioren für Senioren.“ Ältere Lektoren hätten erstens die Ruhe weg und zweitens sei die Hemmschwelle für andere alte Menschen kleiner. Berndt Hahn ist 77 Jahre und ein leidenschaftlicher Computerfreak. Zu Hause durchsucht er bis spät in die Nacht die rund 350 Millionen Webseiten: „Das Internet steckt voller Überraschungen.“

Hahn zeigt einem Ehepaar aus Charlottenburg den Umgang mit einer Maus. Seine angegrauten Schüler tun sich noch schwer im Umgang mit Bit und Byte. „Ich denke ständig, ich mache was falsch“, erzählt der 67-jährige Mann. Seiner Frau geht es genauso: „Wenn auf dem Bildschirm nicht das erscheint, was ich mir vorstelle, glaube ich, dass ich was kaputtgemacht habe.“

Berndt Hahn kennt diese anfängliche Angst vor dem Computer: „Ältere Leute gehen nicht mit so einer Selbstverständlichkeit an das Gerät wie die Jungen.“

Zwei Freundinnen aus Tiergarten, beide über 80, kommen kopfschüttelnd aus dem Info-Mobil. Aus Furcht, zu vereinsamen, wollen sie mit Computern nichts mehr zu tun haben, „Wir möchten lieber direkte Kontakte zu Menschen.“

Ein 73-jähriger Spandauer ist skeptisch gegenüber dem boomenden Medium Internet, „weil schon so viel Schlimmes darüber geschrieben worden ist. Mich schreckt die Kinderpornografie im Internet ab.“ Das ist nicht der einzige Grund für die Alten, die Finger von der Tastatur zu lassen: Mögliche Viren, die Unsicherheit des Datenverkehrs und die Kosten verunsichern viele Senioren.

Eine Frau aus Steglitz, weit über 80, hat sich dennoch überzeugen lassen. „Ich werde meine Enkel anspitzen, mir Weihnachten einen Internetanschluss zu schenken. Ich möchte ja nicht hintenan stehen.“ Karen Heinrichs