Ahnungslos im Polizeicomputer

■ Selbst Zeugen und Geschädigte werden nicht mehr über Speicherung benachrichtigt

Tatverdächtige, Geschädigte und Zeugen, die in Polizeicomputern gespeichert sind, werden darüber nicht mehr benachrichtigt. Betroffen sind 409.000 Personen.

Nach einer Regelung von 1992 mussten Personen, die länger als fünf Jahre gespeichert sind, informiert werden. Eine Benachrichtigungsaktion fand allerdings nur ein einziges Mal statt: Im Sommer 1998 hatte die Polizei genau 292.957 von rund 760.000 Berliner über ihre Speicherung benachrichtigt. Etwa 17.500 besorgte Menschen riefen daraufhin an. 4.120 Anträge auf weitere Datenauskunft und 694 Anträge auf Datenlöschung wurden gestellt.

Mit der Änderung des Berliner Polizeigesetzes ist diese Benachrichtigungspflicht nun entfallen. Nach Wegfall des Paragrafen sollen auch die restlichen 409.000 so genannten „Altfälle“ nicht mehr informiert werden.

Laut Innenstaatsekretär Kuno Böse (CDU) hat sich die Benachrichtigungspflicht „in der Sache als wenig effektiv, außerordentlich kostenaufwendig und in der Praxis als wenig bürgerfreundlich erwiesen“. Zumal es sich fast ausschließlich um Tatverdächtige handele, die – anders als Geschädigte und Zeugen – ja ohnehin wüssten, dass sie gespeichert seien.

Wie bei den anderen Länderpolizeien wird also in Berlin nur noch auf direkte Anfrage Auskunft erteilt. Eine ähnliche Benachrichtigungspflicht wie in Berlin gibt es nur noch in Hessen. Rund 20.000 Schreiben werden dort jährlich verschickt. Allerdings liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, die Regelung zu streichen.

Laut Kriminaldirektor Horst Höhne, dem Leiter der Grundsatzabteilung im Landeskriminalamt, gehen bei der Berliner Polizei durchschnittlich 200 bis 250 Anfragen pro Jahr (1995: 241, 1996: 261, 1997: 182) ein. In 97 Prozent der Fälle werde die Auskunft auch erteilt.

Unberührt davon ist die Speicherung von Daten, die durch verdeckte Ermittler oder Abhörmaßnahmen erhoben werden. Gegenüber Betroffenen, die nicht tatverdächtig sind, besteht die Benachrichtigungspflicht nach wie vor. Ob und wann dies geschieht, ist kaum nachvollziehbar. Erfasst werden solche Fälle nur in den Akten der ermittelnden Dienststelle. Selbst Höhnes Grundsatzabteilung fehlt der Überblick.

Das monierte auch der Datenschutzbeauftragte in diesem Jahr. Bei einer routinemäßigen Prüfung wurde festgestellt, dass eine nachträgliche Information eines Betroffenen nicht erfolgt war, obwohl die Voraussetzungen dafür längst vorgelegen hatten. Die stellvertretende Datenschutzbeauftragte Claudia Schmid reagiert lapidar: „Nachdem wir darauf aufmerksam gemacht haben, ist das dann ja nachgeholt worden.“ Otto Diederichs