Politikwechsel Fehlanzeige

■ Welthungerhilfe von rot-grüner Entwicklungspolitik enttäuscht

Berlin (taz) – Nach einem Jahr rot-grüner Entwicklungspolitik fällt die Bilanz ziemlich schwach aus. Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) und terre des hommes (tdh) stellten gestern ihren Bericht zur „Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“ vor. Darin werfen sie der Regierung vor, sie habe ihr Versprechen gebrochen, Qualität und Quantität der Entwicklungshilfe zu verbessern. DWHH-Generalsekretär Volker Hausmann kritsierte, dass fiskalpolitische Gesichtspunkte immer mehr Gewicht erhielten, während politische Inhalte in den Hintergrund gedrängt würden. Trotz der Etatkürzung von 674 Millionen Mark will das Entwicklungsministerium an dem Ziel festhalten, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Eine Farce: Bereits 1998 lag der Anteil am BSP nur noch bei 0,26 Prozent.

Weder im Bereich der an Selbsthilfe orientierten Armutsbekämpfung noch bei den sozialen Grunddiensten seien Akzente gesetzt worden, monierte Peter Mucke, Geschäfsführer von terres des hommes. Dies werde vor allem bei der Verbesserung der Bildungschancen für Mädchen und Frauen deutlich – übrigens ein explizites Ziel von Bundesministerin HeidemarieWieczorek-Zeul. Lediglich 75 Prozent aller Mädchen in Entwicklungsländern werden eingeschult, nur jedes zweite Mädchen erreicht die fünfte Klasse.

Lob erhielt Wieczorek-Zeul von beiden Entwicklungsorganisationen dagegen für ihre Bemühungen in der Entschuldungsfrage beim Kölner Gipfel. Allerdings könne die Entschuldungskampagne nicht als Rechtfertigung für das Zurückfahren der Armutsbekämpfung herhalten, da die Kampagne für die einzelnen Länder erst mittelfristig Auswirkungen habe. Für wenig sinnvoll halten DWHH und tdh ebenfalls die Absicht, einen Teil der Entschuldung aus Mitteln des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) zu finanzieren. „Damit werden kurzfristig einsetzbare Entwicklungsmittel in der Wirkung nur gestreckt“, stellte Hausmann fest.

Der DWHH-Generalsekretär äußerte außerdem die Befürchtung, dass die angekündigte Konzentration der staatlichen Entwicklungsgelder auf Schwerpunktländer zu Lasten der ärmsten Länder gehen könne. Sein Vorschlag: Nichtstaatliche Organisationen sollten Teile der deutschen Entwicklungszusammenarbeit übernehmen. Voraussetzung hierfür seien aber Globalzuschüsse aus dem Bundeshaushalt, wie sie auch den kirchlichen Zentralstellen für Entwicklungshilfe gewährt werden. Ute Mattigkeit