Testpanzer bereits im rot-grünen Gefecht

Grüne kämpfen weiter gegen Panzerlieferung an die Türkei. Koalitionsfraktionen sollen über das geplante Rüstungsgeschäft mitentscheiden. Heftige Kritik auch aus der Europa-SPD    ■ Von Patrik Schwarz und Karin Nink

Berlin (taz) – „Vertagen, das hätt's auch nicht gebracht.“ Nein, am Tag nach der großen Niederlage lässt Angelika Beer ihren grünen Parteifreund und Außenminister nicht im Stich. „Er kann nicht mehr machen, als dagegen zu stimmen“, rechtfertigt die verteidigungspolitische Sprecherin Joschka Fischers Verhalten im Koalitionsstreit um Waffenexporte in die Türkei.

Claudia Roth, die grüne Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, hatte gestern in der taz Fischer indirekt mit haftbar gemacht für die Entscheidung, einen deutschen Panzer an die Türkei zu liefern. Joschka Fischer hätte am Mittwoch auf eine Vertagung des Bundessicherheitsrats drängen sollen, so Roth, statt sich dort von Kanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping und Wirtschaftsminister Müller überstimmen zu lassen. Unterstützer fand Roth mit ihrer Kritik gestern nicht. Zwar sind sich die Grünen einig, dass mit dem „Panzer zur Ansicht“ auch eine Vorentscheidung für eine mögliche endgültige Lieferung über 1.000 Leopard II getroffen ist, doch wollen sie sich noch nicht geschlagen geben. Die Türkei wird bis zum Jahr 2001 entscheiden, ob sie den Auftrag an deutsche Firmen vergibt. „Die Auseinandersetzung fängt erst an“, warnte Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer gegenüber der taz. „Wir werden versuchen, gesellschaftliche Gruppen und Instanzen zu mobilisieren.“ In der Koalitionsrunde mit dem Kanzler am Montag will er durchsetzen, „dass beide Koalitionsfraktionen politisch voll in die Entscheidung eingebunden sind“. Eine Pflicht, das Placet des Bundetages einzuholen, gibt es allerdings nicht. Außerdem will Bütikofer auf die Rückkehr zum Prinzip der Einstimmigkeit im Bundessicherheitsrat dringen. Dies habe während vieler Jahre unter den Kanzlern Brandt, Schmidt und Kohl gegolten, „und ich sehe nicht, dass die Bundesrepublik damit schlecht gefahren ist“. De facto bedeutet die Einstimmigkeit, dass Joschka Fischer in dem geheimen Gremium ein Vetorecht bekäme.

Die Sozialdemokraten halten sich unterdessen mit der Kritik an der Panzerlieferung auffallend zurück. Aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten will sich keiner aus dem Fenster hängen – auch wenn manche die Entscheidung für falsch halten. Nach Bütikofers Ansicht ist diese Zurückhaltung primär taktisch motiviert. Entsprechend müht sich der Grünen-Manager bereits, den linken Sozialdemokraten Mut zum Widerstand zu machen: „Wir wollen diese Gemeinsamkeit mit Teilen der SPD nicht aufgeben.“ Ein Grund für das Schweigen in der SPD ist aber auch die unklare Beschlusslage der Sozialdemokraten zu Rüstungsexporten. Auf ihrem jüngsten Parteitag im vergangenen Jahr in Bonn beschloss die SPD, dass Waffengeschäfte „außerhalb der Nato und der EU restriktiv gehandhabt“ werden sollen. Dies impliziert,dass die Partei nichts gegen Rüstungsgeschäfte innerhalb des Nato-Gebietes hat – zu dem die Türkei gehört. Die SPD-Abgeordneten im Straßburger Europaparlament, die der lange Arm des Kanzlers weniger leicht erreicht, sehen die Lage anders: „Mit schärfster Kritik und Empörung“ reagieren sie auf die Entscheidung des Bundessicherheitsrats. In einer gemeinsamen Erklärung aller SPD-Europaabgeordneten fordern sie Regierung, Fraktion und Partei auf, „diesen Beschluss zu korrigieren und ein Minimum an sozialdemokratischer Glaubwürdigkeit wiederherzustellen“. Nach Auffassung der EU-Sozialdemokraten widerspricht die Entscheidung „allen sozialdemokratischen Grundsätzen zur Rüstungsexportpolitik“. Was, wenn man das Berliner Grundsatzprogramm der SPD liest, nicht falsch ist. Dort heißt es zu Rüstungsexporten: „Unser Ziel ist es, den Export von Waffen und Rüstungsgütern zu verhindern.“