Die Lebenslüge von der sauberen Wehrmacht“

■ Die Debatte um die falschen Bildlegenden wird, so der Berliner Historiker Peter Steinbach, von den Rechten instrumentalisiert. Gerade deshalb gilt es, Fehler so schnell wie möglich zu beheben

taz: Der polnische Historiker Bogdan Musial scheint nachgewiesen zu haben, dass einige Bildlegenden der Wehrmachtsausstellung falsch sind. Ist, wenn dies stimmt, damit die Glaubwürdigkeit der Ausstellung ernsthaft erschüttert?

Peter Steinbach: Es geht um maximal 16 Bildlegenden – von mehr als 800. Die Absicht der Ausstellung, die Beteiligung der Wehrmacht an Verbrechen zu zeigen, wird dadurch nicht erschüttert. Natürlich muss man nun falsche Zuordnungen von Bildern korrigieren – schon weil gewisse Kreise, denen das ganze Thema nicht passt, ein Interesse daran haben, solche Fehler zu überhöhen.

Geht es nur um handwerkliche Fehler, die bei komplizierten historischen Ausstellungen eben passierenoder um mehr?

Man kann den Machern weder absichtliche Fehler noch Leichtfertigkeit unterstellen. Allerdings leuchtet Musials Argument ein: Wenn sich Soldaten auf bestimmten Fotos die Nase zu halten, zeigt dies, dass es um keine aktuellen Erschießungen geht, sondern um Exhumierungen. Das hätten die Bildlegenden deutlich machen müssen. Allerdings gilt es auch im Blick zu behalten, welche Menge von Informationen, Daten und Fotos in diese Ausstellung eingeflossen sind.

Der ungarische Historiker Krisztan Ungvary geht in seiner Kritik noch weiter: Nur 10 Prozent der Bilder würden eindeutig Wehrmachtsverbrechen zeigen. Was sagen Sie dazu?

Wer das sagt, ist beweispflichtig. Es ist nichts Neues, dass Bilder manipuliert oder beschnitten worden sind. Das ist ein altes Problem in der Geschichtswissenschaft.

Musials Kritik muss man ernst nehmen. Es kann dabei aber nicht darum gehen, dass man darüber redet, ob die Wehrmacht pauschal entschuldet werden soll. Die Aufladung dieser Debatte ist die letzte Zuckung eines Generationskonfliktes – nämlich zwischen jenen, die die Lebenslüge von der sauberen Wehrmacht vertreten haben, und denen, die danach Einspruch dagegen erhoben haben. Es ist doch bemerkenswert, dass eine Zeitung, hinter der immer ein kluger Kopf steckt, die Detailkritik an einzelnen Fotos zu einer Schlagzeile auf Seite eins macht.

Die Wehrmachtsausstellung arbeitet in hohem Maße mit Bildern und Gefühlen. Ist auch dies das Problem?

Die Frage ist, ob das Bild ein Medium ist, um solche komplexen Sachverhalte zu erörtern. Ausstellungen bewegen sich immer zwischen dem wissenschaftlichen Hintergrund und dem Konzept, das die Ausstellung verfolgt. Die Emotionalisierung mit Bildern war hier eine Strategie zur Erhöhung der Akzeptanz.

Man muss aber auch daran erinnern: Der größte Helfer dieser Ausstellung war Gauweiler. Erst als er, Mohler und andere Konservative gegen die Ausstellung polemisierten, wurde daraus eine Fahne, um die man sich scharte. Wer sich um Fahnen schart, stellt schnell das Denken ein.

Die Ausstellung wollte die Legende von der sauberen Wehrmacht zerstören. Die Kritik daran ist nun detaillistisch: hier eine falsche Bildlegende, dort ein falsch interpretierter Dienstrang.

Sie glauben, dass eine revisionistische Kampagne Musials Kritik benutzen wird?

Ja, die „Republikaner“ haben sich ja schon so geäußert. Viele glauben nun gefunden zu haben, was sie schon seit längerem gesucht hatten. Allerdings warne ich davor, unter Hinweis auf diese politische Instrumentalisierung nun Musials Einwände nicht mehr ernst zu nehmen. Das wäre ein schwerer Fehler.

Was sollen die Ausstellungsmacher nun tun?

Historische Forschung ist immer ein Prozess. Ihre Glaubwürdigkeit hängt auch davon ab, wie schnell sie auf neue Erkenntnisse reagiert. Also: Sofort die entsprechenden Bildlegenden verändern oder ergänzen.

Interview: Stefan Reinecke
‚/B‘ Peter Steinbach ist Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin und Professor für historische Grundlagen der Politik an der TU.