„Das sind rhetorisch gebildete Wortführer“

■ Gespräch mit Ralph Lindenau, Bestatter und Vorsitzender des St. Pauli Bürger-Vereins

Der St. Pauli Bürger-Verein von 1843 e.V. fordert die Bürgerinnen und Bürger von St. Pauli auf, das Bürgerbegehren „Stoppt den Bauboom auf St. Pauli“ nicht zu unterschreiben. Das Bürgerbegehren verlangt ein integriertes Entwicklungskonzept und die Gründung eines Stadtteilrats für St. Pauli. Der Verkehrs-, Bau-, Dom- und Reeperbahnausschuß des St. Pauli Bürger-Vereins hat zu diesen Forderungen eine ablehnende Stellungnahme verfasst, die vom Vereins-Vorsitzenden Ralph Lindenau gestern der Presse zugänglich gemacht wurde.

taz: Herr Lindenau, was verstehen Sie unter einer „Rätedemokratie“, wie sie in der Presseerklärung heraufbeschworen wird?

Ralph Lindenau: Wir befürchten, daß der Stadtteilrat die Entscheidungen in St. Pauli treffen wird, nicht die Politik.

Denken Sie, ein Stadtteilbeirat würde die Politiker abschaffen?

Nein, aber er würde in St. Pauli an Gremien der repräsentativen Demokratie vorbeientscheiden.

Aber es gibt doch in Hamburg vielerlei Beiräte: Seniorenbeiräte, Sanierungsbeiräte...

Ja, aber in diesem Stadtteilbeirat würden die Menschen sitzen, die jetzt auch das Bürgerbegehren organisieren. Das sind rhetorisch gebildete Wortführer und nicht die normalen Bürger.

Es sind meistens rhetorisch gebildete Leute, die Politik machen.

Aber das ganze Bürgerbegehren ist so verfasst, das man es nicht versteht. Wenn man bis zu Ende gelesen hat, weiß man nicht mehr, was in der Mitte stand.

Glauben Sie, daß die normalen Bürger manipuliert werden sollen?

Wir brauchen so einen Stadtteilbeirat einfach nicht. Unser Verein ist es, der für die kleinen Leute redet. Wir versuchen mit einfachen und klaren Worten zu beschreiben, was in St. Pauli passiert. Bei uns kommt der einfache, schlichte Mensch vor. Wir haben einen hohen Anteil alter Mitglieder.

Aber St. Pauli besteht nicht nur aus alten Menschen.

Stimmt, es gibt auch Gewerbetreibende.

Nicht nur alte Menschen, auch Ausländer sind oft rhetorisch nicht gebildet. Wie treten Sie für die ein?

Unsere Satzung verlangt zum Beispiel, dass wir keine Ausländer aufnehmen. Das werden wir ändern.

Wie ist es denn zur Gründung des St. Pauli Bürger-Vereins gekommen?

Damals, 1843, gab es ja auch schon in der Politik vieles, wogegen sich die Menschen gewendet haben. Wir sind allerdings überparteilich.

Heutzutage arbeiten Sie viel mit der SPD zusammen.

Ja, Frau Grete Kleist, SPD-Bezirksversammlungsmitglied und Distriktsvorsitzende, ist in unserem Verkehrs-, Bau-, Dom- und Reeperbahnausschuß.

Interview: Ulrike Winkelmann

P.S.: Das Bürgerbegehren braucht bis Mitte Dezember knapp 4700 Unterschriften von wahlberechtigten EinwohnerInnen des Bezirks Mitte, damit der Bezirk einen Bürgerentscheid einleitet.