Apocalypse Tatort now

■ n Am Sonntag strahlt die ARD den vierten, von Radio Bremen produzierten Tatort „Die apokalyptischen Reiter“ aus / War's der Gärtner, oder doch die Posaune Gottes?

Wenn Werftarbeiter von irdischer Gerechtigkeit träumen, regnet es bleischwere Waagen vom Himmel. Einer landet aber sowas von haargenau auf dem Kopf von Friedrich Hennemann, dass der Ex-Vulkan-Boss gezwungen ist, einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Hirngrütze auf dem Kopfsteinpflaster der Böttcherstraße zu verteilen und ob dieses substantiellen Verlusts anschließend mausetot darnieder zu sinken.

Ruhig Blut, Friedrich, ist nur ein böser Traum. Allerdings einer, der die Herren Aebersold und Schwamm überkam. Was sich aus der Sicht Hennemanns insofern ungünstig auswirkt, als dass das Duo sein Geld damit verdient, Drehbücher zu schreiben. Und schwupp! – gibt's einen neuen Tatort aus Bremen zu sehen, in dem ein böses Subjekt Waagen aus dem Fenster wirft und dafür 90 zähe Minuten lang von der Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) und ihrem neuen Partner Tobias von Sachsen (Heinrich Schmieder) von Borgfeld bis Gröpelingen quer durch die Hansestadt gejagt wird.

Natürlich heißt der tote Industrieboss im Film nicht Hennemann, sondern Karl Hinrichs. Aber der regionale Fernsehsender im neuen Bremen-Tatort heißt auch nicht „Buten & Binnen“, sondern Hansa-TV, der Weser Report mutiert zum Weser-Express, und die Bremer Polizei schaltet selbst zum rückwärts Einparken telegen das Blaulicht ein. Klar, ist nicht das Leben, ist ein Film. Aber ein langweiliger, versehen mit einer kruden Story, die nicht mal Hennemann/Hinrichs verdient haben.

Wer ist der Mörder, wenn's nicht der Gärtner war? Unter anderem im Angebot: Die selbsternannte „Posaune Gottes“, ein irrer Sektenfreak, der mit Bibelversen und Gewehrkugeln verschwenderisch um sich wirft und sich verdächtig macht, weil er wie eine Flasche Insekten-Ex spricht und „Ungeziefer muss vernichtet werden“ sagt. Außerdem: Ein seltsamer Herr, der Morde via futuristischer Kommunikationsanlage in der dummbatzigen TV-Game-Show „Rapido“ ankündigt (“Raketen schießen Planeten ab. Dafür gibt's Punkte“, wie Herr von Sachsen treffend zusammenfasst) und dabei so nuschelt, dass man eh nicht versteht, wer der nächste Tote sein soll. Und ein Ex-Malocher und Neukünstler, den der fiese Hennemann/Hinrichs in die Arbeitslosigkeit getrieben hat.

Ein Krimi also, der kein Thema der Welt unbehandelt lässt: Sektenwahn, Sozialkritik und High-Tech-Begeisterung, dazu ein schwuler und bald kopfloser Kunsthallenchef, der seinen Schülern gern am Öhrchen leckt. Nicht einmal die Opfer sterben einfach mal so, sondern werden milleniumsgerecht nach apokalyptischen Kupferstichen von Dürer zugerichtet. Und, nicht zu vergessen: die Bremen-Tatort-übliche kleine Schmusischmusi-Geschichte rund um die entzückende Kommissarin Lürsen, deren Herz man, wenn es mal soweit ist, gern transplantiert bekommen möchte, weil es so groß und voller Leidenschaft ist.

Doch selbst so schöne Sätze wie „alle verfügbaren Wagen zum Shakespeare-Theater“ oder der gekonnt verkniffene Blick der Trompete des Herrn retten die abstruse Story nicht. Der Zuschauer lernt vor allem, dass das Öffentlich-Rechtliche noch immer glaubt, private TV-Game-Shows würden von quotengeilen und zynischen Schwachköpfen moderiert, die mit Schaum vor dem Mund „Rapido“ brüllen. Dass es dem Regisseur Martin Gies gelungen ist, diese Rolle mit SAT1-Moderator Thomas Koschwitz zu besetzen, ist noch der gelungenste Scherz in einem ansonsten müden Streifen. Der andere Lichtblick: Heinrich Schmieder als Lürsens neuer diccköpfiger Kollege von Sachsen, schon bekannt aus der „Bubi-Scholz-Story“, der immer weiß, wie die Dienstvorschrift ist. Und daran verzweifelt, dass im Berufsleben dank seiner impulsiven Kollegin nie etwas so abläuft, wie in der Dienstvorschrift vorgegeben.

Irgendwo im hübsch fotografierten Hafen kommt es schließlich zum Showdown. Am Ende des Jahrtausends siegt auch in Bremen nochmal das Gute, aber was wirklich interessiert, bleibt unbeantwortet: Was zum Teufel ist aus der Tuba des Schöpfers geworden? Kurzum: Der neue Tatort ist schlecht. Aber formulieren wir es doch positiv: Radio Bremen muss sparen. Die Welt wäre keine schlechtere, wenn der Bremer Tatort das Seine dazu tun würde. zott

„Die apokalyptischen Reiter“, 24. Oktober, 20.15 Uhr, ARD