Die Leute wollen etwas Kuscheliges“

Fast jeder kennt ihre Stimme, doch kaum jemand weiß, wer sich hinter den Ansagen in der U-Bahn verbirgt: Es ist Ingrid Metz aus Hessen, die unter anderem Marilyn Monroe und Ingrid Bergman synchronisiert hat   ■  Von Jan Brandt

Jeder kennt ihre Stimme. Aus dem Radio, dem Fernsehen, von Anrufbeantwortern – und der U-Bahn. Wenn es auf der Linie 6 heißt „Nächster Bahnhof Französische Straße“ oder in der U 2 „Nächster Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park“, macht sich so manch männlicher Fahrgast seine Gedanken über die sexy Stimme.

Während einer mutmaßt, sie von „gewissen Telefondienstleistungen her“ zu kennen, sagt ein anderer, dass er die Stimme als „erotisch und sanft“ empfinde. Die Frau dahinter stellt er sich auf jeden Fall blond vor. Er hat sogar eine Vermutung, wer sie sein könnte: „Ist das nicht die Susan Stahnke?“

Zwar ist die U-Bahn-Sprecherin blond wie die Stahnke – die ehemalige Tagesschau-Sprecherin, die vergeblich eine Hollywood-Karriere anvisierte –, doch im Gegensatz zu ihr gehörte sie zu den Blondinen, von denen zumindest die Stimme begehrt ist. In „Blondinen bevorzugt“ oder „Manche mögen's heiß“ lieh die Frau, die täglich hunderttausende Berliner auf dem Weg zur Arbeit oder in den Feierabend begleitet, ihre Stimme keiner Geringeren als Marilyn Monroe.

Die 50-jährige Synchronsprecherin Ingrid Metz aus dem hessischen Offenbach verdiente ihr Geld schon in den 60er-Jahren mit ihrer Stimme. Auch Ingrid Bergman hat sie für das deutsche Kino synchronisiert. Inzwischen hat sie ein eigenes Studio. Ingrid Metz protitiert von dem „60er-Jahre-Revival der Stimmen“. Diese Entwicklung, sagt sie, zeichne sich nicht nur in der Fernsehwerbung ab, wo sie Mon Chéri, Raffaelo und Ferrero Rocher anpreist, sondern auch bei Dokumentationen. „Die Welt“, sagt sie, „ist schon rauh und hässlich genug, da wollen die Leute etwas Kuscheliges.“

Kuschelig will es auch die BVG. Deshalb beauftragte sie die Elektronik-Firma Meister aus dem brandenburgischen Brieselang, eine Sprecherin zu finden. Mit Ingrid Metz hatte man schon in Hamburg, Stuttgart, Mainz und Düsseldorf gute Erfahrungen gemacht. Nach der Wende kamen ostdeutsche Städte hinzu. Inzwischen sagt sie in über 25 deutschen und österreichischen Städten die Haltestellen an. Um die richtige Betonung zu treffen, muss sie ganze Sätze sprechen. Einzelne Wörter werden dann per Computer zur ganzen Ansage zusammengesetzt. „Hinter diesen simplen Ansagen steckt viel Arbeit“, sagt Ingrid Metz. Und: „Wenn man 5.000-mal 'Nächste Haltestelle‘ gesagt hat, ist man es leid.“

Gerade die simplen Ansagen aber sind es, die der Sprecherin eine gewisse Popularität eingebracht haben. Aus ganz Deutschland bekommt sie Fanpost. Mehrere Fahrgäste schrieben ihr, dass sie das Gefühl hätten, sie würde persönlich zu ihnen sprechen. Einer meinte sogar, dass ihre Stimme die am häufigsten gehörte in Deutschland sei.

Doch Ingrid Metz gibt sich bescheiden. Für sie sind die Ansagen ein Job wie jeder andere auch: „Synchronisation ist wie eine Tageszeitung, was heute ist, wird morgen vergessen sein.“ Wann immer sie sich selbst hört, hat sie etwas auszusetzen. „Dann denke ich, das hättest du besser machen können.“

Nur ein einziges Mal wurde sie erkannt. Das war bei einer U-Bahn-Fahrt mit ihrer Mutter und einer Freundin. Als diese gleich bei der ersten Ansage rief „Das ist ja die Ingrid!“ und die Fahrgäste abwechselnd zum Lautsprecher und zu ihr schauten, sei sie rot geworden. Ihre 87-jährige Mutter hingegen hat sie nicht erkannt. Sie ist schwerhörig.

Bei der Firma Meister stößt der Rummel um die Person von Ingrid Metz auf wenig Verständnis. Schließlich gibt es viele Ansager. In der Tag hat Ingrid Metz keine Monopolstellung bei der BVG. In der Straßenbahn kommt eine Nachrichtensprecherin vom SFB zu Wort. Bei Bussen dagegen werden die Ansagen von den Fahrern persönlich durchgegeben. Dass kaum Männer für die Aufnahmen engagiert werden, hat einen einfachen Grund. „Die Frequenz der Stimmen muss sich von den Störgeräuschen in den Bahnen unterscheiden“, sagt Betriebsleiter Wolfgang Seifert von der Firma Meister.

Derzeit spricht Ingrid Metz kaum noch. Das eigene Studio, in dem pro Jahr über 200 Filme synchronisiert werden, will organisiert sein. Erst wenn in Berlin Aufnahmen nachgebessert werden müssen oder neue Stationen freigegeben werden, kommt wieder Arbeit auf sie zu. Dann könnte die Ansage „Nächster Bahnhof Bundeskanzleramt“ lauten. Aber das wird wohl noch eine Weile dauern.