Versessen auf den Sieg

Thomas Hellriegel will heute beim Ironman-Triathlon auf Hawaii seinen Erfolg von vor zwei Jahren wiederholen    ■ Von Frank Ketterer

Kailua Kona (taz) – Selbst die Frage der Soße stellt sich in diesen Tagen nicht. „Normalerweise sind wir da immer geteilter Meinung“, sagt Peggy Büchse, darüber nämlich, ob es zu den Spaghetti eine eher luftige Tomatensoße mit etwas Fisch geben soll oder doch lieber die deftigere Form mit Käse und Sahne. Letztere wird von der Rostocker Langstreckenschwimmerin bevorzugt, ihr Freund Thomas Hellriegel, der Ironman, hingegen mag lieber die rote Version. In der kleinen Wohnung der Bill Fisher Apartments zu Kailua Kona, direkt am Alii Drive, kochen die beiden stets die rote Soße.

Nicht dass Peggy Büchse sich nicht durchzusetzen wüsste; wer Weltmeisterin ist im Langstreckenschwimmen, bringt auch das hin. Normalerweise. In diesen Tagen auf Big Island aber geht es nicht um solche Dinge; in diesen Tagen geht es um 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und 42,195 Kilometer Laufen. Heute morgen um sieben Uhr wird in der kleinen Hafenbucht von Kaihua Kona der Ironman Hawaii gestartet, und Thomas Hellriegel, vor zwei Jahren erster deutscher Sieger beim härtesten Triathlon der Welt, zählt unter den 1.500 Teilnehmern wieder zu den Favoriten, trotz seines physischen Einbruchs im vergangenen Jahr.

Als der 28-Jährige damals, nachdem er das Rad abgestellt hatte, die zwölfprozentige Steigung vom Kona Surf Resort, das sich in die Postkartenidylle der vom blaugrünen Pazifik umspülten Keaulhou Bay schmiegt, hinauf zum pechschwarzen Alii Drive in Angriff nahm, merkte er, dass es nichts werden würde mit seiner Titelverteidigung. Sein hochgezüchteter Körper versagte den Dienst. „Schon nach den ersten Schritten habe ich gemerkt, dass ich leer war, einfach leer“, erinnert sich Hellriegel. Der Rest war mehr als dreistündiges Leiden auf der Marathonstrecke. „Ich habe gedacht, dass ich das nie und nimmer durchstehe“, sagt der Triathlet. Als Achter und tief enttäuscht kam er ins Ziel.

Seitdem hat Hellriegel akribisch gefahndet, was schief gelaufen war – und ist fündig geworden. „Wenn man es geschafft hat, dann fällt der ganze Druck von einem ab, aber auch die Motivation“, sagt er im Rückblick. Mit diesem „es“ meint er den Sieg vor zwei Jahren, dem der Badener so lange wie kein anderer hinterhergehetzt war. Für Hawaii hatte er sich jahrelang zwischen fünf und acht Stunden täglich gequält, morgens stand er mit Hawaii im Kopf auf und abends ging er damit ins Bett. „Man muss total darauf versessen sein“, sagt Hellriegel, „sonst kann man das Rennen nicht gewinnen.“

Genau diese Versessenheit war ihm abhanden gekommen. Der Eisenharte war weicher geworden gegen sich, nachgiebiger. „Wenn früher Sauwetter war“, erzählt er zum Beispiel, „bin ich trotzdem losgeradelt, letztes Jahr habe ich da lieber ein Päuschen gemacht.“ Und dafür den ein oder anderen Werbe- und Fernsehtermin eingeschoben, an Angeboten mangelte es ja nicht.

Durch Platz acht vom Vorjahr ist die Motivation in die Höhe geschnellt, längst radelt Hellriegel bei Sauwetter wieder durch die Gegend. Zweiter wurde er im Juli beim Europe-Ironman in Roth, ein paar Wochen später gewann er den Ironman in Lake Placid. „Das war vom Kopf her wichtig für mich“, sagt er, weil er gesehen hat, „dass ich es noch kann.“ Genau das will Hellriegel auch heute auf Big Island zeigen.

Tätigen Beistand leistet Freundin Peggy Büchse, die zum dritten Mal auf der Pazifikinsel dabei ist. Nicht beim Schwimmen und nicht beim Radfahren, aber beim abschließenden Marathon. Da wird die 26-Jährige auch in diesem Jahr wieder mit dem Rad mitfahren, mal vor, mal hinter Hellriegel, weil es auf Hawaii eigentlich nicht erlaubt ist, die Athleten zu begleiten und ihnen Mut zuzusprechen. „Macht nichts“, sagt Peggy Büchse, „ich kann ihn doch nicht alleine da draußen rumrennen lassen.“

Nur in einem Fall würde sie das tun, gerne sogar. Wenn Hellriegel, wie vor zwei Jahren, in Führung liegen sollte. Dann nämlich würde er von so vielen Motorrädern und Autos begleitet, dass ohnehin kein Durchkommen wäre. Peggy Büchse würde dann schnurstracks zum Ziel fahren, um Thomas Hellriegel gebührend zu empfangen und den Sieg zu feiern. Unter anderem, so ist zu vermuten, mit Spaghetti, zu denen es weiße Soße aus Käse und Sahne gibt.