Ökolumne
: Modernes Kosovo?

■ Energieversorgung des Landes kann sinnvoll erneuert werden

„Dieser frühe Zeitpunkt für Ihre Initiative ist gut gewählt“, sagte der EU-Beamte am Ende unseres Gespräches in Priština, der Provinzhaupstadt des Kosovo. Ähnliche Reaktionen gab es bei der zivilen UNO-Verwaltung des Kosovo, bei der KFOR und bei den großen Hilfswerken: Überall erfuhren wir Zuspruch für unser Ziel, im Rahmen des Aufbaus umweltfreundliche und Energie sparende Technik an den Start zu bringen. Überall kam aber auch zum Ausdruck, dass dieses perspektivreiche Thema nicht zum inneren Kreis der eigenen Arbeitsaufgaben gehöre.

Vor drei Monaten wurde in Bonn und Brüssel die Absicht verkündet, sich langfristig bei Wiederaufbau und Modernisierung der Infrastruktur im Kosovo zu engagieren. Das würde auch den Energiesektor betreffen, schlussfolgerte man bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Die Idee enstand, den Neubeginn mit dem Einstieg in eine nachhaltige Energieversorgung zu verbinden. Das Potenzial von Wind- und Wasserkraft, Biomasse und Solarenergie nicht nur gegen den satten Energiemarkt hier zu Lande, sondern als echten Versorgungsbeitrag im Kosovo einzuführen ist seitdem das Arbeitsziel der DGS-Initiative.

Unser Team brach am 22. September Richtung Kosovo auf. Die Berliner Hilfsorganisation humanitarian cargo carriers (hcc), die seit Jahren in Nordalbanien und im Kosovo arbeitet, stellte Geländewagen, Satellitentelefon und Bürokapazität in Prizren zur Verfügung.

Die Energieversorgung muss auch nach Meinung unserer kosovarischen Gesprächspartner eine neue Basis finden. Strom kam bisher hauptsächlich aus zwei großen Braunkohlekraftwerken. Diese Kraftwerke, deren Brennstoff von allen fossilen Energieträgern die höchsten Kohlendioxidemissionen pro erzeugter Kilowattstunde verursacht, können jetzt nur ein Drittel der Nennleistung liefern. Strom wird im Kosovo weit verbreitet auf denkbar verschwenderische Art verwendet – zum Heizen, Kochen und Wassererwärmen. Die zweite große Wärmequelle ist Feuerholz. Das daraus resultierende Zurückgehen der Wälder wird im Kosovo als Problem durchaus wahrgenommen. Als wir dann noch auf einem halb zerstörten Wohnhaus eine Solaranlage sahen und der Direktor von Prizrens Wasserversorger die Wiederinbetriebnahme der traditionellen Wassermühlen zur Stromerzeugung vorschlug, war eine wichtige Fragestellung geklärt: Das für erfolgreiche Arbeit unverzichtbare Eigeninteresse ist im Kosovo vorhanden.

Eine politische Forderung und etliche konkrete Projekte resultieren aus unserem am 3. Oktober beendeten Kosovo-Aufenthalt. Die Forderung nach einem Koordinator für erneuerbare Energiequellen im Kosovo wurde an Ort und Stelle bei Tom Koenigs, dem Chef der UNO-Verwaltung in Priština, platziert. An das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) geht der Vorschlag, Messprogramme für die Bestimmung des Wind- und Wasserpotenzials durchzuführen. Dieses bedeutsame Potenzial muss bis zum nächsten Jahr ermittelt sein. Dann fallen die langfristigen Entscheidungen für die Stromerzeugung. Vorarbeiten können sofort beginnen. Ein anderes Projekt sieht vor, ab März 2000 in allen dreißig kosovarischen Distrikten je eine Demonstrationsanlage zur solaren Wärmegewinnung unter Beteiligung lokaler Unternehmen aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt wird die heute weitgehend kostenfreie Stromversorgung wieder kostenpflichtig. Dann wird Solarwärme sofort zur interessanten Alternative.

Der vom Land Berlin ins Leben gerufenen Initiative für Kosovo geht der Vorschlag zu, sich an einem Schulprojekt in der stark zerstörten Region nördlich von Prizren zu beteiligen. Dort hat die Hilfsorganisation hcc EU-Mittel zur Notinstandsetzung von sieben Schulgebäuden erhalten. Zentralheizung und Dämmung sind ohne zusätzliche Unterstützung nicht finanzierbar. Das Potenzial der im Kosovo bisher kaum praktizierten Wärmedämmung lässt sich an Schulen breitenwirksam zeigen.

Die modernste Energiewirtschaft Europas – bald im Kosovo? Interesse und Potenzial sind in der Region vorhanden. Bedeutende Beträge werden in jedem Fall für den Energie-Umbau aufgewendet. Nun kommt es auf flexibles Handeln der angesprochenen Entscheidungsträger an. Die nachhaltige Energiewirtschaft wird nicht nur auf lange Sicht, sondern auch kurzfristig die günstigere Lösung sein. Christof Huth