„Das ist wie ein Spiel“

Das Risiko der öffentlichen Aktienkultur: Unerwartet großer Andrang beim 4. Hamburger Börsentag am Sonnabend  ■ Von Anja Stenzel

Einen Riesenandrang hat es am Sonnabend in der Hamburger Börse beim 4. Hamburger Börsentag gegeben. Mit 6200 Besuchern wurde die Erwartung der Veranstalter weit übertroffen. Die Besucherzahl mache deutlich, dass sich „die Aktienkultur“ in der Öffentlichkeit offensichtlich etabliert habe, sagte der stellvertretende Geschäftsführer der Hamburger Börse, Kay Homann. Der Börsentag richtete sich in diesem Jahr besonders an private Kleinanleger und Interessierte.

Rund 60 Firmen berieten im Foyer der Börse am Adolphsplatz Besucher jeden Alters an ihren Ständen über das Geschäft mit Wertpapieren. Angst oder Unsicherheit gegenüber dem Aktiengeschäft war nicht zu spüren. „Die Gewinnerwartung drängt die Angst vor dem Risiko zurück“, weiß Aktienhändler Jörg Wieneke von der Comdirekt-Bank. Ein 30-jähriger Hamburger kommentierte sein Interesse so: „Der Reiz beim Aktienkauf liegt für mich im Risiko, das ist wie ein Spiel.“ Er habe vor zwei Jahren das erste Mal 1000 Mark investiert und die Summe verdoppelt. Seitdem sei er nicht mehr davon losgekommen.

„Ich wollte mich erst einmal informieren, wo ich mein Erspartes anlegen kann“, sagte der 61-jährige Rentner Walter Gohlke aus Hamburg. Mit Investmentfonds hat Gohlke bereits gute Erfahrungen gesammelt. Der Kauf einzelner Aktien komme aber für ihn nicht in Frage, da das Risiko zu hoch sei.

Auf dem Börsentag erfuhren die Besucher bei 37 Fachvorträgen unter anderem mehr über die Bedeutung der EU für die Börsen, Risikoaspekte, Investment-Stile, Börsengänge und Vermögensplanung. „Die Deutschen sind sehr konservativ und wenig aufgeschlossen gegenüber der Geldanlage in Aktien“, befand die Wirtschafts- und Anlageberaterin Kerstin Westphal aus Schwerin. Dabei habe sie durch den Aktienhandel gelernt, mit Geld umzugehen und Risiken besser einzuschätzen.

„Wir sind schon das zweite Mal beim Börsentag dabei, um den Dialog mit unseren Aktionären und mit Interessierten zu suchen“, sagte Wolfgang Wietbrok von der Norddeutschen Affinerie. Auch die Hamburgischen Electricitäts-Werke, die Hamburger Sparkasse oder die Thalia Buchhandlung präsentierten sich am Sonnabend.

Für die Software-Dienstleister ist es nicht so leicht, das breite Interesse der Besucher zu erreichen. „Zu uns kommen fast nur junge Leute, die sich im Internet auskennen“, sagte John H. Lange von Intershop Communications. Der Börsengang im vergangenen Jahr habe sich für seine Firma gelohnt, die Aktien haben sich seit Juli 1998 bereits verfünffacht. Unter dem Motto „Start up meets capital“ warben besonders die jungen Unternehmen, die einen Börsengang anstreben, für sich und ihre Produkte.

So strebt beispielsweise die Internet-Werbefirma e-game den Gang an den Neuen Markt noch bis Ende des Jahres an. „Wir erhoffen uns aus dem Börsengang die Finanzierung unserer Entwicklungskosten für neue Sparten“, sagte Aktionär und Investor bei e-game, Rüdiger Beuttemüller. Der Architekten-Internetdienst hausplaene.com sieht Chancen, im nächsten Jahr den „Start Up Market“ der Hamburger Börse zu betreten. Dieser eröffnet kleinen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Eigenkapitalausstattung zu verbessern.