Berlin ist keine gottlose Stadt“

Beim Begrüßungsgottesdienst für „die Bonner“ versuchte Bischof Huber den Neu-Berlinern die Angst vor der großen Stadt zu nehmen. Aber kaum jemand hat ihn gehört – bis auf Herrn Hempell, und der hat Angst vor der PDS  ■   Von Philipp Gessler

Joschka Fischer kniete nicht in der Kirchenbank. Aber Sona Eypper hat trotzdem ein paar „Bonner“ gesehen – die habe man nämlich erkennen können, auch wenn sie nicht prominent waren, erklärte die Vorsitzende des Internationalen Konvents christlicher Gemeinden eifrig. „Die waren alle ein bisschen verloren.“

Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg hat gestern „die Bundesbediensteten aus Bonn“ zu einem Begrüßungsgottesdienst in den Dom geladen.Hunderte von Neu-Berlinern waren angesprochen worden, die Kirche hatte sie extra angeschrieben. Doch die Reformatoren Luther und Co. schauten unter der mächtigen Kuppel mit ihren strengen Mienen nur auf wenig mehr Gläubige als sonst, die zum Gottesdienst strömten: Statt 400 bis 500, wie üblich, seien dieses Mal vielleicht um die 600 Christen in das Gotteshaus gekommen, schätzt Dompfarrer Michael Raddatz. „Es waren nicht so viele Bonner da“, meint er.

Vorbei die Zeiten, da die Kirche die Protektion der weltlichen Macht suchte und selbstverständlich fand: Kein Bundeskanzler auf der früher für die Hohenzollern reservierten Kaiserempore über dem Haupteingang, kein Minister betete. Mächtig schienen nur noch die Abbilder von Albrecht von Preußen, Philipp dem Großmütigen, Joachim II. und Friedrich dem Weisen – schwertbewehrte Verteidiger der Reformation.

Die lauschten, erstarrt in Marmor, der Predigt von Landesbischof Wolfgang Huber: „Es ist kein Ausdruck übertriebener Staatsnähe, wenn wir denen, die neu in die Stadt kommen, mit diesem Gottesdienst ein herzliches Willkommen zurufen“, rief er durch das kreuzförmige Kirchenschiff voller Gold und Marmor. Unbegründet sei die Angst vor einer „gottlosen Stadt“. Denn: „Es gibt Christen in Berlin“, so der streitbare Bischof, „Berlin ist keine gottlose Stadt – keine Angst.“

Doch wo waren die ängstlichen Rheinländer auf dem anschließenden Empfang der Domgemeinde im Kaiserlichen Treppenhaus? Auf den Ministerialrat Wolfgang Hempell, Abteilungsleiter der Grundsatzabteilung „Telekommunikation und Post“ im Bundesfinanzministerium, stürzten sich gleich mehrere Journalisten. Der 62-Jährige ist nun seit zwei Monaten in der neuen Hauptstadt und wohnt tatsächlich in der kaum vermieteten „Regierungsschlange“ im Moabiter Werder, die extra für die Bonner errichtet wurde.

Dass in Berlin nur etwa ein Drittel der Einwohner getauft seien, das sei für einen Christen wie ihn „ein Problem“, sagt der Beamte. Er hatte eine „Abneigung“, nach Ost-Berlin zu ziehen, da die PDS („eine alte kommunistische Partei“) dort so viele Stimmen bekomme: „Einen PDS-Nachbarn zu haben hätte mich gestört – dann lieber ein paar nette Türken.“

Dann klingt der Empfang aus, Landesbischof Huber lässt sich mit dem Bonner fotografieren. Kollegen aus der Stadt am Rhein hat er nicht gesehen, erzählt Hempell noch. Nur eine Politikerin sei ihm aufgefallen: Regine Hildebrandt, Ex-Ministerin aus Brandenburg. Die sang oben bei der Orgel im Kirchenchor. Aus Bonn kommt sie aber nicht.