Fauler Feenzauber in der Werbepause

■  Berliner Urteil gibt Werbeblocker für TV-Spots grünes Licht. Praktischer Nutzen des Geräts bleibt umstritten

Berlin (taz) – „Auf ganzer Linie gewonnen!“ Petra Bauersachs gab die Jubelnachricht noch am Freitagmittag vor den Türen des Berliner Kammergerichts per Handy nach Koblenz durch. Dort freuten sich die 30 Mitarbeiter der Firma TC mit der Chefin. Denn gewonnen hat sie gegen mächtige Gegner, die privaten Fernsehsender Vox und RTL. Streitobjekt war ein unauffälliges Gerät im Zigarrenschachtelformat. Das möchte Bauersachs schon seit Monaten an TV-Zuschauer verkaufen.

Die Sender hätten das sehr gerne verhindert – mit gutem Grund. Denn die Koblenzer Neuentwicklung namens „Fernsehfee“ könnte für viele interessant sein: Sobald sich nervende Werbeblöcke mitten im Spielfilm ankündigen, zappt sie zum nächsten freien Kanal. Und nach Blockende wieder zurück, ganz automatisch.

Mit den so ausgesessenen Spots finanzieren sich jedoch die Privatsender. Vox-Justiziar Hans-Henning Arnold: „Wer unsere Werbung ausblendet, rüttelt an unseren Grundfesten.“ Sein Kollege Peter Lück von Sat.1 machte aus der Firma samt Fee gar „Totengräber des privaten Rundfunks“.

Gleich nach der Markteinführung begannen die Privatsender einen juristischen Feldzug gegen das werbefeindliche Gerät. Sat.1 klagte wegen „Behinderungswettbewerb“, scheiterte damit aber beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. Der Richter sah keine akute Geschäftsgefährdung, schließlich wollen die 299 Mark für das Gerät erst einmal ausgegeben sein. Außerdem mache die Fernsehfee das Gleiche wie genervte Zuschauer auf manuellem Wege: wegschalten. Vox und RTL hatten am Berliner Landgericht mehr Glück: Ihre Werbung durfte fortan nicht mehr verschwinden. Dagegen legte die Firma TC wiederum Beschwerde ein.

Die Koblenzer Zentrale steuert das Gerät durch Signale, die über Radiofrequenzen zum Nutzer gelangen. Das spezielle „TV-Spot-Stop-Signal“ ermöglichen Studenten, die ja bekanntlich jeden Job machen. Von 9 Uhr früh bis 2 Uhr nachts gucken sie in Koblenz Fernsehen und drücken Knöpfe, sobald Werbung auf einem Kanal beginnt oder endet. Dieser Service kommt für die Privaten tatsächlich zur Unzeit. Bis 1997 boomte der Umsatz für teure Spots, jetzt aber schläft das Wachstum ein.

Mit dem Urteil vom Freitag ist die Frage des Wettbewerbs trotzdem zu Gunsten der Verbraucher entschieden. Die Privatsender argumentierten noch, dass ein Unternehmen die Finanzierung eines anderen so nicht angreifen dürfe. Schließlich sei zu erwarten, dass jeder zweite Zuschauer eine Fernsehfee anschaffen werde. Die Prognose der Gegenseite erfreut Bauersachs: „Jetzt gehen wir an die Börse! Wir bauen den Betrieb neu auf und kontaktieren unsere Vertriebspartner.“ In Frankfurt am Main und Berlin stehen nun zwei Entscheidungen gegeneinander, nächste Instanz wäre der Bundesgerichtshof. Bis dort ein Urteil fällt, könnten vier Jahre vergehen.

Ob die Unternehmerin bis dahin das Geschäft ihres Lebens aufzieht, ist eher eine praktische Frage. Zwar ist ein Werbeblocker eine feine Sache, aber Vielgucker lassen sich nicht gerne die Fernbedienung aus der Hand nehmen. Die Fernsehfee nämlich springt willkürlich zum nächsten Sender und mit Sicherheit auch wieder zurück. Wer also in einem anderen Kanal weitergucken möchte, wird auch wieder unterbrochen. Und obgleich TC als Eigenwerbung viele zufriedene Verbraucherurteile aufzählt, ist in test-Heft 10/99 der Stiftung Warenstest etwas ganz anderes zu lesen: Das Gerät funktioniere nicht, heißt es da in einer Meldung. Laien würden am mehrstündigen Programmiermarathon scheitern. Margret Steffen