„Geld wird dadurch nicht gespart“

■ Regenbogen-Gruppe und Initiativen fordern rot-grünen Senat auf, weiterhin „Hilfen zur Erziehung“ zu gewähren

Als Gesetzesbruch bezeichnet Kay Seligmann vom Verein „Woge“ die Verfügung des Amtes für Jugend, bis zum Jahresende nur noch in extremen Ausnahmefällen „Hilfen zur Erziehung“ zu gewähren: „Das sind keine Almosen, sondern ein Rechtsanspruch für Familien und junge Erwachsene.“ Der Regenbogen-Abgeordnete Lutz Jobs bezeichnete die Verfügung als „politische Bankrotterklärung von Jugendsenatorin Rosemarie Raab“. Jobs forderte den Senat gestern auf, den Bewilligungsstopp „umgehend zurückzunehmen“. Er kündigte eine Parlamentsinitiative an.

Nach dem Kinder- und Jugendschutzgesetz bekommt eine Familie „Hilfe zur Erziehung“, wenn „eine dem Wohle des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist“: Zum Beispiel, wenn ein Kind seinen Tag statt in der Schule am Hauptbahnhof verbringt oder die Eltern aufgrund eigener Probleme nicht in der Lage sind, ihren Sohn oder die Tochter zu versorgen. Nun jedoch soll Erziehungshilfe nur noch gewährt werden bei „Kindeswohlgefährdung und Kindesmisshandlung“ (taz berichtete). Die Behörde hat den Stopp verfügt, weil die für dieses Jahr veranschlagten 50 Millionen Mark nicht ausreichen.

Thomas Lamm, Geschäftsführer der Pestalozzi-Stiftung, erinnert daran, dass es Ziel der rot-grünen Koalition gewesen sei, die stärker in das Leben der Jugendlichen eingreifenden Wohngruppen abzubauen und die ambulanten Hilfen zu verstärken. Der Bedarf daran sei gestiegen: „Immer mehr Familien leiden unter Dauerarbeitslosigkeit und Armut.“

Darüber, ob SozialarbeiterInnen in die Familien geschickt werden, entscheidet eine „Erziehungskonferenz“, bei der VertreterInnen des Jugendamtes, der Schule und sozialer Träger über geeignete Maßnahmen für das Kind beraten. Bei der aufgeputschten Diskussion über Jugendkriminalität vor zwei Jahren war die Sinnhaftigkeit dieser Erziehungskonferenzen von Sozial-, Jugend- und InnenpolitikerInnen betont worden. Nun kann deren Entscheidung von einem Abteilungsleiter der Behörde nach Aktenlage einkassiert werden.

Gabriele Franke von der „stadtteilorientierten milieunahen Erziehung (SME)“ prophezeit, dass der Kinder- und Jugendnotdienst demnächst „aus allen Nähten platzen wird“. Auch sei zu befürchten, dass Kinder, die an der Schwelle zur Einweisung in eine psychiatrische Klinik stehen, ohne ambulante Hilfe dort landen werden. Dazu Lutz Jobs: „Geld wird dadurch nicht gespart“. Elke Spanner