Sentimental und zynisch, leicht und bitter

■ Regisseur Rolf Schübel und Schauspielerin Erika Marozsan stellten in der ihren Film „Ein Lied von Liebe und Tod“ vor und sprachen mit der taz

Der Ausgangspunkt Ihrer Geschichte ist das Lied eines ungarischen Komponisten aus den 30er Jahren, das so traurig-schön war, dass sich viele junge Menschen auf der ganzen Welt zu diesen Klängen das Leben nahmen. Frau Marozsan, weiß man im Ungarn von heute noch um diesen Welthit und seinen „Werther-Effekt“?

Erika Marozsan: Dieses Phänomen gehört ganz tief zur ungarischen Kultur. Jeder kennt die Geschichte, jeder Barpianist kann „Das Lied vom traurigen Sonntag“ spielen. Und es wird auch immer noch oft verlangt.

Und hat der Komponist selber dann auch, wie im Film erzählt wird, Selbstmord begangen?

Ja, aber erst viel später, in den 60er Jahren.

Herr Schübel, haben Sie den Film wegen dieses Liedes gemacht?

Rolf Schübel: Da sind zwei Dinge zusammengekommen. Ich kannte das Lied schon als Jugendlicher, hatte auch die Platte 100 Mal gehört, aber dann verloren und das Lied vergessen. Als ich aber dann den Roman von Nick Barkow las, kam die Erinnerung. Ich recherchierte hinter dem Lied her. Es ist ja ein solcher Ohrwurm, dass man es nach den ersten 5 Takten wieder erkennt, auch wenn man es fast 20 Jahre nicht mehr gehört hat. An dem Roman faszinierte mich die Balance aus Leichtigkeit und Bitternis, aus Sentimentalität und Zynismus. Genau diese Mischung wollte ich auch im Film haben.

Sie haben lange als Dokumentarfilmer gearbeitet, und mit „Nachruf auf eine Bestie“ oder „Der Indianer“ auch deutsche Filmgeschichte geschrieben. Gibt es ein Naturgesetz, nach dem alle Dokumentarfilmer zum Spielfilm streben, denn den meisten Kollegen geht es ähnlich?

Schübel: Bei mir war es ein wenig anders, weil meine Dokumentarfilme immer schon zwischen den Genres hingen. Irgendwann hatte ich dann das Gefühl, in dem Medium alles ausgelotet zu haben, Bereits „Das Heimweh von Walerjan Wróbel“ war ein dokumentarischer Spielfilm. Aber ich war neugierig und wollte noch weiter gehen, und suchte mit diesem Film eine noch fiktivere Geschichte.

Sie haben in Bremen gute und schlechte Erfahrungen gemacht: „Walerian Wróbel“, den Film über einen jungen Zwangsverschleppten, der von der Bremer Nazi-Justiz wegen einer Bagatelle zum Tode verurteilt wurde, drehten Sie zum Teil hier an Originalschauplätzen, und Radio Bremen hat mal einen Ihrer Filme zensiert ...

Schübel: „Walerian Wróbel“ hatte hier eine sehr schöne Premiere, bei der euer jetziger Bürgermeister, der damals Justizsenator war, eine sehr beeindruckende Rede hielt. Sinngemäß sagte er, er würde sich immer noch für das schämen, was die Bremer Justiz im dritten Reich getan hat. Das war damals alles andeIcIre als selbstverständlich. Und die andere Geschichte ist zwar Schnee von vorgestern, war aber in den frühen 70er Jahren der größte Skandal des deutschen Fernsehens. Ich hatte den Dokumentarfilm „Rote Fahnen sieht man besser“ gemacht, der vielen Leuten gestunken hat, weil er ihnen zu pampig und parteilich war. Der Intendant von Radio Bremen wollte daraufhin ein Lied vom Politbarden Dieter Sülverkrüp nicht am Schluss des Filmes haben. Er hat von seinem Schnittrecht Gebrauch gemacht. Wir haben unter den Filmschluss dann den Text laufen lassen: „Die Autoren protestieren gegen diese Zensurmaßnahme“. Das war natürlich noch viel schöner als das Lied. Ich glaube, der arme Mann hat seine Maßnahme schnell bereut.

Fragen: Wilfried Hippen

„Das Lied von Liebe und Tod“ wird in der Schauburg und dem CinemaX gezeigt.