„Staat wird von Minderheit stranguliert“

■ Papenburgs Ehrenbürgermeister und Mitbegründer der BürgerInitiative „Pro Sperrwerk“, Heinrich Hövelmann (CDU), äußert sich zum Widerstand gegen das umstrittene Emssperrwerk

Heinrich Hövelmann packt zu. Er ist ein Macher. Auch wenn ihm in der Vergangenheit manche Projekte daneben gegangen sind, in Papenburg ist er eine Institution. 30 Jahre saß er für die CDU im Rat der Stadt Papenburg, davon 24 Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister. Seit 19 Jahren ist er Fraktionsvorsitzender der CDU im Landkreis Emsland. Bevor sich die Stadt Papenburg einen hauptamtlichen Bürgermeister wählte, zog sich Hövelmann aus der Stadtpolitik zurück: „30 Jahre sind genug.“ Er ist Ehrenbürgermeister von Papenburg. Hövelmann ist Mitbegründer und stellvertretender Vorsitzender der Initiative „Pro Sperrwerk“, einer Intiative, die das umstrittene Bauwerk bei Gandersum/Ostfriesland durchsetzen will. Das Sperrwerk soll vor Sturmfluten schützen und der Papenburger Meyer-Werft helfen, ihre Ozeanriesen aus dem Binnenland ans tiefe Meer zu schleppen. Umweltschützer warnen jedoch vor dem Projekt. Sie befürchten, die Ems könnte kollabieren. Zurzeit verbietet aber das Verwaltungsgericht Oldenburg den Weiterbau der Emssperre. Eine gerichtliche Entscheidung über den Weiterbau wird täglich erwartet.

taz: Das Gericht verschiebt immer wieder seine Entscheidung über den Weiterbau des Emssperrwerkes. Woran liegt–s?

Heinrich Hövelmann: Es geht gar nicht mehr um sachliche Dinge, nur um juristische Spitzfindigkeiten. Ist das nicht schrecklich, dass drei Richter über die Zukunft einer ganzen Region entscheiden?

Wer sollte entscheiden?

Falsch. Die Politik hat längst zugunsten des Sperrwerkes entschieden.

Offensichtlich gab es Fehler bei der Planung.

Ehe ich die Sperrwerksplaner in die Wüste schicke, müssen erstmal die Naturschutzverbände dran.

Warum?

Weil es denen nicht um sachliche Dinge geht, sondern nur um einen Machtkampf.

Überschätzen Sie da nicht die Wirkung von Umweltschutzverbänden?

Wenn ein Politiker Mist baut, dann wird er beim nächsten Mal nicht wieder gewählt. Wenn die Damen und Herren von WWF, BUND, NABU und LBU Mist machen, was passiert dann? Die sind nicht demokratisch legitimiert.

Heißt das, sie sprechen den Umweltschutzverbänden das Recht ab, sich zu äußern?

Nein, wenn sie vernünftig sind, dann nicht. Aber wer trägt denn bei denen wirklich Verantwortung? Wenn jetzt eine Flutkatastrophe kommt und das Sperrwerk ist nicht da, um zu schützen, haben dann die Geschädigten hier vor Ort die Möglichkeit, gegen den WWF oder das Oldenburger Gericht zu klagen?

Das setzt voraus, dass erstens das Sperrwerk wirklich gegen eine Sturmflut schützt und zweitens, dass die Verantwortlichen vor Ort bisher alles getan haben, um Sturmflutschutz zu gewährleisten. Und drittens, dass politisch Verantwortliche für ihre Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden können.

Alle politischen Gremien haben beschlossen, das Sperrwerk nützt dem Sturmflutschutz. Basta. Und wenn die Politiker Mist bauen, dann sollen sie abgewählt werden.Das ist demokratische Kontrolle.

Stört es Sie nicht, dass immer nur Baukosten für das Sperrwerk angegeben werden, nie aber die Betriebskosten. Handeln Sie sich mit dem Sperrwerk nicht eine finanzielle Planungsleiche ein?

Blödsinn. Das Sperrwerk wird aus Steuern bezahlt. Wenn im Emsland nicht gearbeitet wird, gibt es hier keine Steuern. Also müssen die Leute hier satt werden. Die Leute zahlen mit ihren Steuern quasi ihr eigenes Sperrwerk. Sie müssen nur die Chance haben zu arbeiten.

Die Berichte der Deichrichter und der Generalplan Küste des Landes Niedersachsen, der legt immerhin den Küstenschutz bis über das Jahr 2030 fest, sahen nie ein Sperrwerk vor.

Denen lagen nicht alle Daten vor. Tatsächlich sind unsere Deiche sicher. Sie sind nur zu niedrig. Ein Sperrwerk schafft Abhilfe. Im übrigen, wo kommen wir denn hin, wenn ein Gericht oder die Umweltschutzverbände entscheiden, was wir als Küstenschutzmaßnahme für wichtig halten?

Wer ist wir?

Die Kommune. Die Landesregierung. Die Bundesregierung und alle Leute hier vor Ort.

Da gibt es ja noch die Sperrwerksgegner.

Wen? Die sind ja nicht mal –ne Minderheit. Der Widerstand gegen das Sperrwerk wird von außen gesteuert. WWF, BUND und wie sie alle heißen. Nochmal: Wir haben im Kreis folgende CDU-Mehrheit: Wenn SPD, Grüne, Unabhängige und FDP vollzählig erscheinen, die CDU aber nur mit der halben Mannschaft ihrer Kreistagsabgeordneten anwesend ist, dann haben wir immer noch die Mehrheit. Ich stehe für das Emssperrwerk. Glauben Sie denn, die Wähler dieser überragenden Mehrheit sind blöd?

Die Dyklopers sind die örtliche Bürgernitiative gegen das Sperrwerk. Kein Gegner für Sie?

Ach du liebe Güte. Die Dyklopers haben von mir aus 30 Mitglieder. Alles selbst ernannte Naturschützer. Wir haben 40.000 Unterschriften für Pro Sperrwerk.

Da gehen die Dyklopers aber ein Risiko ein?

Welches Risiko?

Die haben Morddrohungen bekommen.

Ich will denen ja nicht zu nahe treten. Aber wenn jemand hier sagt, „Ich bin gegen das Sperrwerk“, schreibt die Presse nicht darüber. Wenn aber jemand sagt, ich kriege Morddrohungen, weil ich gegen das Sperrwerk bin, dann berichtet die taz natürlich.

taz: Überschätzen Sie die taz nicht?

Auch so eine Minderheit? Das Sperrwerk hat vielen Sperrwerksgegnern die Gelegenheit gegeben, sich zu profilieren. Wenn das Sperrwerk gebaut ist, werden diese Personen wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Betrifft das auch die Umweltschutzverbände?

Da muss sich was ändern. Der Staat stranguliert sich selbst, wenn er Minderheiten das Recht einräumt, Entwicklungsprozesse derart zu hemmen, wie es die Umweltverbände derzeit in Papenburg tun.

Die Mehrheit hat immer recht?

Ja, oder sie soll demokratisch abgewählt werden. Umweltschutzverbände dürfen kein Recht mehr haben, bei allem und jedem gegen zukunftsgerichtete Projekte zu klagen.

Prognosen sagen, europäische Werften haben in vier Jahren keine Chance mehr, Großaufträge zu bekommen, wenn China, Korea und Japan große Schiffe bauen.

Mit dem Sperrwerk hat Meyer eine Chance. Dann hängt es vom Fleiß der Belegschaft und von der Tüchtigkeit der Betriebsleitung ab, neue Aufträge zu bekommen.

Kritiker sagen, die Luxusdampfer werden immer größer und das geplante Sperrwerk sei jetzt schon zu klein für die nächste Schiffsgeneration.

Bis jetzt planen wir bis 2003. Wenn sich dann neue Probleme stellen, müssen wir sie lösen.

Das heißt, Sie schließen eine Begradigung der Ems nicht aus?

Natürlich nicht. Das ganze Gerede von der Ökologie ist doch eine einzige Lüge.

Es wird zum Beispiel gesagt, durch die Vertiefung der Ems ersticke der Fluß im Schlick.

Die Vertiefungen der Ems oder ein zukünftiger Stau führen nicht zu mehr Schlick.

Die Stadt Leer sieht das anders. Die kann die Baggerungen in ihrem Hafen nicht mehr bezahlen. Leer sagt, der Bund soll zahlen, weil der baggert die Ems aus und daher erhöht sich das Schlickaufkommen.

Der Schlick wird nur anders verteilt. Früher musste in Emden gebaggert werden, heute eben in Leer.

Negative Konsequenzen für die Natur sehen Sie durch den Sperrwerksbau nicht?

Überhaupt nicht. Wenn wir hier eine Sturmflut haben, kommt mehr Salzwasser in die Ems und es werden größere Flächen überflutet, als wenn wir die Ems für die Überführung der Meyer-Schiffe stauen. Das mit den ökologischen Schäden ist einfach Quatsch.

Daran arbeitet das Gericht. Was passiert, wenn das Sperrwerk gebaut wird, das Gericht aber Stauen aus ökologischen Gründen verbietet?

Oh, das möchte ich erleben. So viel Polizei können die gar nicht aufbieten, um das Stauen zu verhindern. Dann geht's aber los. Tausende von Arbeitsplätzen hängen an der Meyer-Werft. Ein Stau-Verbot könnte kein Meyer-Arbeiter verstehen. Wir werden dann dafür sorgen, das gestaut werden kann.

Fragen: Thomas Schumacher